Straßburg (1885 bis 1894,) 497
Bahnhof. Ich blieb dann noch mit Konstantin den Abend zusammen.
Am folgenden Nachmittag, als ich bei der Fürstin YDpsilanti war, kam
Konstantin und teilte mir mit, daß Gustav angekommen sei. Es war aber
zu spät, ihn noch zu besuchen, und so reiste ich um 5 Uhr ab. Vorher
hatte ich das überraschende Telegramm erhalten, daß der Kaiser in
Straßburg angekommen sei. In München wurde ich durch ein Telegramm
aufgeweckt, das mich aufforderte, in Karlsruhe auszusteigen, um den Kaiser
dort zu treffen. Um 8 Uhr war ich in Karlsruhe, wurde von Andlaw
auf der Bahn empfangen und fuhr ins Schloß. Um 10 Uhr kam der
Kaiser. Er wurde von der Großherzogin (der Großherzog war dem
Kaiser auf den Bahnhof entgegengefahren), von allen Prinzen und Prin-
zessinnen empfangen. Der Kaiser begrüßte mich sehr freundlich und drückte
seine Befriedigung über den guten Empfang und das gute Diner (truffes
en serviette erwähnte er) aus und ließ mich um 12 Uhr zu sich kommen.
Wir besprachen die Lage im allgemeinen, und der Kaiser äußerte sich be-
sonders ärgerlich über die Konservativen und Antisemiten. Um 1 Uhr
war Dejeuner. Nachmittags kam Eulenburg, 1) der Gesandte, zu mir.
Um 6 Uhr war Thäätre paré. Nach dem zweiten Akt war Souper im
Foyer, wo ich mich vom Kaiser verabschiedete. Um 11 Uhr kam noch
Eulenburg, um mir seine Angelegenheit mitzuteilen. Er sagte, Holstein
und Kiderlen hätten die Meinung, daß er (Eulenburg) Staatssekretär
werden solle, wenn Bötticher wegginge oder eine andre Stelle erhielte,
wo dann Marschall das Reichsamt des Innern übernehmen würde,
das ihm angenehmer sei als das Auswärtige Amt. Nun glaubt Eulen-
burg zu dieser Stelle nicht geeignet zu sein, da er zu wenig Ehrgeiz und
zu wenig Freude an den Exigenzen habe, die das Auswärtige Amt mit
sich bringe. Er fürchtet ferner, daß sein Verhältnis zum Kaiser durch
den steten persönlichen Verkehr und die Vorträge gestört werden könne;
und doch sei gerade dieses freundschaftliche Verhältnis sehr wichtig und
dem Kaiser nützlich, da er sich bewußt sei, vom Kaiser nie etwas zu ver-
langen und ihm nur ehrliche Ratschläge zu geben. Durch diese ver-
mittelnde Stellung werde er größeren Nutzen schaffen als durch seine
Tätigkeit als Leiter des Auswärtigen Amts. Zudem sei er zu jung. Die
Ernennung des Badensers Marschall habe schon viel Unzufriedenheit in
Beamtenkreisen erregt. Es müsse jetzt, wenn ein neuer Staatssekretär
gewählt würde, ein älterer angesehener Diplomat, etwa ein Botschafter,
dazu gemacht werden. Wo aber dieser Botschafter zu finden sei, wußte
er auch nicht. Er bat mich, mit Holstein in unauffälliger Weise die Nach-
folgerschaft von Marschall zu besprechen und Holstein von dem Gedanken,
1) Graf Philipp Eulenburg, damals preußischer Gesandter in München.
Fürst Hohenlohe, Denkwürdigketten. II 32