506 Straßburg (1885 bis 1894)
marcks und von dessen bisheriger feindlicher Tätigkeit. Von einer ver-
söhnlichen Stimmung fand ich keine Spur.
Ich fuhr Abends 8½ nach Straßburg zurück, und da der Kaiser
heute vom Manöver bei Lauterburg gleich nach Stuttgart fährt, so ist die
Kaiserreise hiermit beendigt.
Baden, 25. Oktober 1893.
Gestern Nachmittag kam ich hierher, um Mamat) zu besuchen und
mich bei den großherzoglichen Herrschaften vorzustellen. Ich ging erst nach
der Villa Friderici, wo Mama gut etabliert ist, und fand sie unverändert,
obwohl mir nachher die Damen auf dem Schloß sagten, sie habe östers
Fieber.
Als ich nach Hause kam, meldete ich mich brieflich bei Andlaw und
erhielt sofort die telephonische Einladung zum Diner um 7½ Uhr. Dort
fand ich Gelegenheit, den Großfürsten Michael Nikolajewitsch zu sprechen,
und da er mir sagte, er müsse nach St. Petersburg zurück, um den
Sitzungen des Reichsrats beizuwohnen, benutzte ich die Gelegenheit, ihm
die Eingabe wegen Verlängerung zu empfehlen, indem ich ihm kurz die
Lage erklärte. Er stellte einige Fragen, kannte auch das Gesetz wegen des
Rückkaufs der an die Bauern verpachteten Güter und die daraus für den
Verkauf hervorgehenden Schwierigkeiten und versprach dann, „sich mit der
Sache zu beschäftigen“. Viel wird es nicht nutzen, aber es wird ihm
doch Anlaß geben, sich nach der Sache zu erkundigen.
Berlin, 14. Dezember 1893.
Heute war ich bei Miquel, der an dem Zustandekommen der Tabak-
fabrikatsteuer zweifelt. Der Reichstag sei unberechenbar. Die Folge werde
sein, daß die einzelnen Staaten durch Matrikularbeiträge für die Kosten
der Militärorganisation aufkommen müßten. Das allgemeine Wahlrecht
sei unmöglich. Die Wahlen brächten immer schlechtere Elemente in den
Reichstag. Das einzige Mittel, von dem man aber noch nicht sprechen
dürfe, sei, daß man ein Viertel der Abgeordneten aus den Einzellandtagen
wählen lasse. Auch er ist gegen die Abschaffung der Ausnahmegesetze in
Elsaß-Lothringen. Bei den Wühlereien der Franzosen sei dies unmöglich
und die allgemeine politische Lage gestatte ein solches Experiment nicht.
Eulenburg, den ich nachher besuchte, ist derselben Meinung. Was die
Jesuiten betrifft, so meint er, die preußische Regierung könne unmöglich
für die Jesuiten stimmen. Dann könnten wir uns gar nicht mehr sehen
lassen. Die Stimmung der Protestanten sei zu stark dagegen und die
1) Die Stiefmutter der Fürstin, Fürstin Léonille von Sayn-Wittgenstein.