514 Straßburg (1885 bis 1894)
er zu Bernhard Bülow, mit dem er sich sehr lange über Italien unterhielt.
Beim Zurückfahren machte ich die Bekanntschaft des Landrats von Stuben-
rauch, der kein sehr angenehmes Aeußere hat, aber gescheit und nerven-
stark aussieht und mit dem ich mich eingehend unterhielt. Er mag wohl
zum Polizeipräsidenten von Berlin taugen.
Schloß Friedrichshof, 11. Oktober 1894.
Nachdem ich die Nachricht erhalten hatte, daß die Kaiserin Friedrich
meinen Besuch in Friedrichshof erwarte, fuhr ich mit dem Zuge um 9 Uhr 40
von Straßburg weg, kam 2 Uhr 30 nach Frankfurt und hoffte dann gleich
weiterfahren zu können. Der Zug war aber schon fort. Ich fragte nach
dem nächsten und erhielt die wenig tröstliche Antwort, daß dieser erst
5½ Uhr gehe. Ich wäre also erst um 6 Uhr in Cronberg angekommen,
hatte mich aber auf 3 Uhr angemeldet. Ich schickte also Schmidt nach
Homburg, um den irrtümlich dorthin geschickten Koffer zurück und nach
Friedrichshof zu bringen, und nahm einen Fiaker an der Bahn, da ein
anständiger Wagen nicht vor einer Stunde hätte beschafft werden können,
und fuhr mit diesem langsamen Gefährt nach Cronberg und auf das dabei-
liegende Schloß, wo ich um 5 Uhr ankam. Hier wurde ich am Portal
von Hugo Reischach und Margarete empfangen, und während ich meinen
Mantel ablegte, kam auch die Kaiserin, die mich in die Halle geleitete, wo
Fräulein von Faber und eine Tochter des Professors Esmarch waren.
Ich trank hier schnell eine Tasse Tee und wurde dann von der Kaiserin
durch den schönen Park geführt. Leider war die Aussicht nicht zu genießen,
da alles in dichten Nebel gehüllt war. Der Park ist groß, sehr gut an-
gelegt und hat schöne alte Bäume. Das Schloß im Reneaissancestil ist
groß und geräumig und äußerst wohnlich. Als wir vom Spaziergang
zurückkamen, führte mich die Kaiserin in mein Zimmer. Ein großes
Zimmer mit einem breiten Himmelbett, daran eine Toilette und darauf-
folgend ein Bade= und Waschzimmer. Alles sehr hübsch, stilvoll und be-
quem. Nur daß die Handgriffe für warmes und kaltes Wasser an der
Badewanne so stilvoll sind, daß ich sie heute nur mit Mühe aufmachte
und kaum wieder zubrachte.
Um 8 Uhr war Souper. Da ich nur eine Tasse Kaffee in Straß-
burg und hier eine Tasse Tee getrunken hatte, so war mir die Mahlzeit
willkommen. Nach Tisch saß man noch einige Zeit in der Halle, dann
zog sich die Kaiserin zurück und die übrigen gingen oben über mir in das
Rauchzimmer. Sonst wird im Hause nicht geraucht. Seckendorff, Reischach
und die Damen blieben da bis 11½ Uhr, wo alles schlafen ging.
Heute Morgen war Kaffeefrühstück bei der Kaiserin. Nachher zeigte
sie mir ihre Salons und Kunstschätze sowie die Bibliothek, in welcher sie