Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

524 Die Reichskanzlerschaft und das Lebensende (1894 bis 1901) 
sache darin, daß man im Jahre 1879 aus dem bis dahin herrschenden 
gemäßigten Freihandelssystem in den Schutzzoll übergegangen ist und 
dadurch Deutschland zu einem Industriestaat gemacht hat. 
Aus einem Briefe an den Freiherrn von Völderndorff. 
Berlin, 26. Januar 1896. 
. . Ich hätte Ihnen schon früher geantwortet, aber Jubelfeste und 
Krisen, die sich abwechseln, haben meine Zeit in Anspruch genommen. 
Gewöhnlich verlaufen die Krisen, nachdem sie meine Freunde einige Tage 
in Aufregung gehalten haben, ganz friedlich. Zurzeit will Seine Majestät 
keinen andern Reichskanzler und gibt mir recht. Unter den obwaltenden 
Umständen bin ich trotz aller Mängel doch immer noch der beste Reichs- 
kanzler. 
Aus der Rede des Fürsten bei der Feier des fünfundzwanzig- 
jährigen Bestehens des Bundesrats 21. März 1896. 
.. Nur wenige jener Helden sind noch unter den Lebenden 
Einer aber, der größte unter ihnen, er steht noch unter uns wie eine der 
Eichen des Sachsenwalds, Fürst Bismarck, der mit sorgendem Blick die 
Geschicke des Reichs verfolgt und manches mahnende Wort an die Epigonen 
der großen Zeit richtet — der Mann, der, als wir nach den ersten Einheits- 
versuchen an der Zukunft Deutschlands verzweifeln wollten, seinerseits 
weder die Hoffnung noch den Mut sinken ließ, der in langer mühevoller 
diplomatischer Arbeit die Wege ebnete, die zu der einheitlichen Gestaltung 
des Reichs führen sollten, und der, als der Augenblick gekommen, als die 
Saat gereist war, den Augenblick zu erfassen wußte und die Schwierig- 
keiten überwand, die sich ihm von allen Seiten entgegenstellten. 
So ist er als treuer Diener seines kaiserlichen Herrn, der ihn heute 
vor fünfundzwanzig Jahren in den Fürstenstand erhob, der eigentliche 
Schaffer des Reichs geworden. 
Es ist ein schöner Zug im Charakter des deutschen Volks, daß es 
dem Manne unentwegt treue Verehrung entgegenbringt, der sein Leben 
eingesetzt hat, um die seit Jahrhunderten unbefriedigte Sehnsucht der 
deutschen Nation zu erfüllen. Das deutsche Volk weiß es als eine köstliche 
Gabe der Vorsehung zu schätzen, daß in dieser Zeit gerade dieser Mann 
mit den Geschicken Deutschlands betraut war. Lassen Sie uns — und 
hier spreche ich zu den politischen Gegnern des ersten Kanzlers — lassen 
Sie uns heute die Tage des Kampfes und des Streits vergessen und 
vereinigen wir uns alle in dem Rufe: Fürst Bismarck lebe hoch!
	        
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