528 Die Reichskanzlerschaft und das Lebensende (1894 bis 1901)
leur politique.“ Man habe ihm gesagt, daß die englischen Staatsmänner
ihn bei Gelegenheit seines Besuchs zu Abmachungen einfangen wollten.
Als ich erwiderte, daß die englische Verfassung und die Rücksicht, welche
die englischen Staatsminister auf die wechselnde öffentliche Meinung zu
nehmen hätten, es unmöglich mache, Verträge mit England zu schließen,
stimmte er mir lebhaft bei. Der Kaiser erwähnte dann den Gedanken
Lobanows, eine Sicherheit für die Durchfahrt durch den Kanal von Suez
zu erlangen. Als ich erwähnte, daß England dies bereits zugesichert habe,
stimmte der Kaiser bei, ließ aber dann den Gegenstand fallen. Als seine
Hauptaufgabe bezeichnete der Kaiser die russische Politik in Ostasien und
die Vollendung der Sibirischen Bahn. Japan rüste sehr. Sie hätten aber
dort kein Geld, wenn ihnen auch jetzt die chinesische Kriegsentschädigung
Mittel gewähre. Wenn diese aufgebraucht sei, so wisse er nicht, wie sie
ihre Rüstungen vollenden wollten. Uebrigens brauchten sie dazu noch Jahre,
bis dahin könne die Sibirische Bahn fertig sein und dann sei Rußland in
der Lage, „de faire face à toute éventualité“. .. Wieder auf die eng-
lische Politik zurückkommend, erwähnte der Kaiser, man habe ihm gesagt,
daß England den Plan habe, Afrika vom Kap bis nach Aegypten in seine
Gewalt zu bringen. Das habe wohl gute Wege. Ich erwiderte, daß die
Engländer so großen Wert auf ihre Herrschaft in Südafrika legten, weil
sie in der Besorgnis, einmal Indien zu verlieren, in Südafrika Ersatz
suchten. Darauf sagte der Kaiser: „Ja, wer soll ihnen denn Indien
nehmen? Wir sind nicht so dumm, einen solchen Plan zu verfolgen.“
In Afrika habe Rußland keine Interessen. Wenn es ihm aber gelingen
könne, den Frieden zwischen Italien und Menelik zu vermitteln, würde
ihn das sehr freuen. Daran knüpfte sich ein Gespräch über das Zweck-
lose der italienischen Bestrebungen in Erythräa. Als das Gespräch auf
seine Reisepläne kam, sagte er, daß er mit unserm Kaiser nicht über Paris
gesprochen habe, und fragte mich, ob ich ein Bedenken gegen den Pariser
Besuch hätte. Es war ihm angenehm, als ich ihm erwiderte, daß der
Besuch in Paris mir „inévitable“ erschiene. Er betonte, daß er es ab-
gelehnt habe, am Quai d'Orsay oder anderswo in Paris zu wohnen. Er
werde in der Botschaft wohnen wie alle seine Vorgänger. Das sei sein
Eigentum, wie er ja auch in Berlin in der Botschaft gewohnt haben
würde. Das ist das Wesentlichste der eine Stunde dauernden Unterredung
bei der Zigarette.
Beim Abschied überreichte mir der Kaiser den Andreasorden, wofür
ich meinen Dank und die Versicherung aussprach, nach Kräften beitragen
zu wollen, um die guten Beziehungen zwischen Deutschland und Rußland
zu pflegen. „Das wird Ihnen nicht schwer werden,“ sagte der Kaiser,
„denn diese Beziehungen werden stets gute bleiben."“