530 Die Reichskanzlerschaft und das Lebensende (1894 bis 1901)
Als ich vor langen Jahren mein Abiturientenexamen machte, da gab
man mir für den deutschen Aufsatz das Thema: „Das Lob, das dem Ver-
dienst gebührt, ist einer Ehrenschuld gleichzuachten.“ Ich habe mir das
Thema gemerkt mein Leben lang. Heute trage ich hiermit eine Ehren-
schuld ab . . .“
Journal.
Berlin, 7. April 1897.
Zwei Fragen können in nächster Zeit meine Stellung erschüttern; die
eine ist die Militärstrafprozeßordnung, die zweite das Vereinsgesetz.
In beiden Fragen bin ich persönlich engagiert. Ich habe insbesondere,
was den zweiten Punkt betrifft, dem Reichstage die Aufhebung des Ver-
bots der Verbindung untereinander versprochen.1) Der Minister des Innern
hat ein Gesetz ausgearbeitet, in welchem außer der Aufhebung jenes Ver-
bots noch einige wenig bedeutende Verbesserungen des Vereinsrechts in
Vorschlag gebracht werden und hatte die Hoffnung, seinen Entwurf in der
Abgeordnetenkammer zur Annahme zu bringen. Besprechungen mit den
Parteiführern berechtigten zu dieser Hoffnung. Nun sagt er mir gestern,
daß die Nationalliberalen abschwenken und das Gesetz, wie es projektiert
ist, nicht annehmen wollen. Ist das richtig und beharren die National-=
liberalen auf ihrer Weigerung, so entsteht die Frage, ob wir das Gesetz
doch vorlegen?) auf die Gefahr hin, daß es abgelehnt wird, oder ob wir
uns mit der Vorlage eines Gesetzes begnügen, das jenes Verbot aufhebt,
ohne etwas weiteres zu beantragen. Im letzteren Falle würde man mir
nicht vorwerfen können, daß ich mein Versprechen nicht gehalten habe.
Journal.
Homburg, 6. September 1897.
. Jch kann nur dann bleiben, wenn ich mit der Militärstrafprozeß-
ordnung in der von mir als notwendig erachteten Form vor den Reichs-
tag trete und auch den Gesetzentwurf bezüglich der Aufhebung des
Koalitionsverbots vorlege. Dann bekommen wir eine ruhige Session.
Wenn nicht, blamiere ich mich und verursache nur Erregung innerhalb
und außerhalb des Reichstags, die für die Marinevorlage und für die
Wahlen verhängnisvoll sein würde.
1) Bei der Schlußberatung über das Bürgerliche Gesetzbuch am 27. Juni 1896
wollte der Reichstag die Aufhebung dieses Verbots in das Gesetzbuch aufnehmen.
Fürst Hohenlohe sprach dagegen und gab die Erklärung ab, die Frage, welche dem
öffentlichen Rechte angehöre, werde durch die Landesgesetzgebung dem Wunsche des
Reichstags gemäß erledigt werden.
2) Das Vereinsgesetz wurde am 13. Mai dem Abgeordnetenhause vorgelegt.
In der Sitzung vom 17. Mai sprach der Fürst bei der ersten Beratung.