Die Reichskanzlerschaft und das Lebensende (1894 bis 1901) 535
meiner politischen Tätigkeit gedacht. Wenn ich das, was er gesagt hat,
mit dem Bilde meiner Wirksamkeit vergleiche, das meinem kritischen Auge
vorschwebt, so scheint es mir, daß er zuviel gesagt hat. Gewissenhafte
Menschen sind nie zufrieden mit dem, was sie getan haben. Es ist ja
wahr, ich war schon vor fünfzig Jahren ein Vorkämpfer der deutschen
Einheit und habe treu mitgearbeitet, wenn auch gewissermaßen nur als
ständiger Hilfsarbeiter. Aber zu gewaltigen Taten hatte ich keine Ge-
legenheit. Und als ich an die erste leitende Stelle in Deutschland trat,
da war schon alles fertig, und da lag mir ob, zu pflegen und zu erhalten,
was geschaffen war, gemeinsam mit den verehrten Vertretern der ver-
bündeten Regierungen, die mich heute in so liebenswürdiger Weise haben
begrüßen lassen. Dafür sage ich meinen herzlichen Dank.“
An den Prinzen Alexander.
Berlin, 13. April 1899.
Gestern hier angekommen, habe ich heute schon um 9 Uhr den Be-
such Seiner Majestät gehabt. Ich habe die Gelegenheit benutzt, ihm das
zu wiederholen, was ich ihm geschrieben hatte. Er sagte, ich solle es nur
noch weiter probieren und andre für mich arbeiten lassen.
An denselben.
Wildbad, 15. Juli 1899.
Wildbad ist ein stiller, angenehmer Aufenthalt. Nur meine
Popularität macht sich unbequem geltend, da ich auf der Promenade von
allen Leuten gegrüßt werde. Die Serenade der Kurkapelle, bei der ein
Unbekannter ein Hoch auf mich ausbrachte, dem begeistert zugestimmt
wurde, läßt mich auf die freundliche Stimmung der biedern Württem-
berger schließen.
Anrede an den Stadtschultheißen von Wildbad bei Gelegen-
heit der Serenade.
Ich danke Ihnen, Herr Stadtschultheiß, von ganzem Herzen für
Ihre freundlichen Worte der Begrüßung und bitte Sie, Ihren Mit-
bürgern, den Bewohnern des klassischen Bodens der Untertanentreue,
meinen Dank übermitteln zu wollen für die glänzende Ehrung, die sie mir
am heutigen Tage zuteil werden lassen. Ebenso danke ich den verehrten
Kurgästen, die sich an dem Zuge beteiligt haben, für die mir erwiesene
Aufmerksamkeit. Es ist diese Feier eine zweifache Ehrung: einmal der
gemütliche Gruß, den meine süddeutschen Landsleute dem süddeutschen
Reichskanzler darbringen und dann die Anerkennung weiter Kreise aus
ganz Deutschland. Das ist für den alten Politiker, der sich der Grenze