Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Die Reichskanzlerschaft und das Lebensende (1894 bis 1901) 537 
den langen Abenden sehe ich Mama an ihrem Tisch im Salon schreiben 
und die Zeitung lesen und denke mein ganzes vergangenes Leben. Dann 
wird mir traurig zumute, und ich ertrage es nicht. Hier unter all den 
intriganten Gesichtern, gegen die ich mich verteidigen muß, vergesse ich, 
was mich niederdrückt. 
Journal. 
Berlin, 4. Dezember 1899. 
Ich ging heute in den Reichstag, um mit Bassermann, Lieber und 
Rickert zu reden. Ich sagte Lieber und Rickert, ich würde eine zustimmende 
Erklärung geben zu dem Antrage auf Beseitigung des Verbindungsverbots, 
und sie möchten Bassermann sagen, daß er mich nicht angreife, weil mir 
dann die zustimmende Erklärung unmöglich würde. Dies sahen sie ein 
und rieten, ich möchte die Begründung Bassermanns nicht abwarten, sondern, 
sobald der Antrag an der Reihe sei, die Erklärung ohne weitere Moti- 
vierung abgeben. Die Schwierigkeit liegt nun darin, daß die Bevoll- 
mächtigten zum Bundesrat die Instruktion haben, für die Regelung der 
Frage durch die Gesetzgebung der Einzelstaaten zu stimmen, daß sie also 
neuer Instruktionen bedürfen. Das schadet aber nichts, denn dann erkläre 
ich, daß Preußen im Bundesrat für den Antrag stimmen wird. 
An den Prinzen Alexander. 
Berlin, 6. Dezember 1899. 
Nachdem Seine Majestät seine Zustimmung zur Abschaffung des 
Verbindungsverbots ausgesprochen hatte, konnte ich die nötigen Schritte 
im Staatsministerium und im Bundesrat tun und war heute in der Lage, 
im Reichstage zu erklären, daß die verbündeten Regierungen der Auf- 
hebung des Verbindungsverbots zustimmen, wenn der Antrag Bassermann 
angenommen wird. Bei der zweiten Lesung geschah dies mit großer 
Mehrheit, und so ist diese leidige Sache endlich aus der Welt geschafft. 
An denselben. 
Berlin, 7. Januar 1900. 
.. Von hier gibt es nichts Neues, außer daß sich mir mehr und 
mehr die Ueberzeugung aufdrängt, daß ich mich auf meinen Abgang vor- 
bereiten muß . . Nur muß ich die Flottendebatte abwarten. Ich möchte 
das Resultat nicht durch eine Krise stören und kompromittieren. Denn 
mir liegt daran, daß die Sache zustande kommt, wenn es irgend möglich 
ist. Wir dürfen uns nicht der Gefahr aussetzen, England gegenüber das 
Schicksal Spaniens gegen Nordamerika zu erleben
	        
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