Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Im Reichstage (1870 bis 1874) 55 
bekannt. 1) Nach der Sitzung hatte ich ein interessantes Diner bei Roggen- 
bach mit Brandis, Curtius, Bunsen und Schlözer. Letzterer, längere Zeit 
Gesandter in Mexiko, geht jetzt nach Washington und nimmt Ludwig 
Arco als Gesandtschaftssekretär mit. Dieser war auch unter den Gästen. 
Um 7 Uhr Kommissionssitzung über Elsaß-Lothringen. Die Hitze war 
so groß, daß ich bald wegging und mich in den „Leipziger Garten“ be- 
gab, wo die Reichstagsabgeordneten jeden Mittwoch zu Bier zusammen- 
kommen. Lupxburg brachte die Elsässer mit, die Bismarck berufen hat. Es 
waren Klein von Straßburg und noch drei andre Herren. Auf den 
Wunsch Luxburgs klingelte ich an meinem Glas und stellte die Elsässer der 
Versammlung vor, und sagte, daß ich im Sinne der Versammlung zu sprechen 
glaubte, indem ich sie freundlich willkommen hieß. Darauf große Er- 
regung. Dann wollten einige Herren, ich sollte noch eine Rede auf den 
Frieden halten. Da ich aber eben erst gesprochen hatte, und die Hitze 
und der Tabakdunst so stark waren, daß mir übel wurde, so ließ ich mich 
nicht darauf ein und eilte in die frische Luft und dann zu Bett. 
Berlin, 12. Mai 1871. 
Heute waren die Tribünen des Reichstags ziemlich besetzt, da man 
wußte, daß Bismarck von Frankfurt zurück sei und dem Reichstag den 
Abschluß des Friedens mitteilen werde. Bis 2 Uhr war eine langweilige 
Debatte über das Postgesetz. Da erschien Bismarck, begrüßt vom ganzen Reichs- 
tag. Bald darauf erhob er sich und entschuldigte sich zuerst, die Debatte 
„durch einen heterogenen Gegenstand“ zu unterbrechen. Er erzählte, an- 
knüpfend an seine frühere Mitteilung von der Verzögerung der Verhand- 
lungen in Brüssel, daß er sich entschlossen habe, selbst mit Jules Favre 
zusammenzukommen, und deshalb nach Frankfurt gereist sei. Dort sei es 
ihm gelungen, zum Ende zu kommen. Er teilte dann die bekannten 
Friedensbedingungen mit und schloß, indem er sagte, das sei nach seiner 
Ansicht ein auf vernünftige Bedingungen gegründeter Friede, er hoffe, 
daß es ein dauernder Friede sein werde und daß die französische Regie- 
rung die Kraft haben werde, ihn durchzuführen. Die Ratifikationsfrist läuft 
am 20. Mai ab. Nachdem kam Bismarck unter die Versammelten und 
ließ sich gratulieren. Mir drückte er die Hand. Ich fragte ihn, ob er 
Schwierigkeiten gehabt hätte, was er bejahte und beisetzte, die französischen 
Unterhändler seien zuerst sehr schwierig gewesen. Er hat es durch das 
Gewicht seiner Persönlichkeit durchgesetzt. Es ist dies um so besser, als 
Moltke und seine Untergebenen immer gegen Bismarck räsonieren und an 
1) Fürst Bismarck hatte sich infolge der Erfolglosigkeit der Brüsseler Friedens- 
verhandlungen am 5. Mai nach Frankfurt begeben, wo er am 10. Mai mit Favre 
und Pouyer-Quertier den Friedensvertrag schloß. 
 
	        
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