Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Im Reichstage (I870 bis 1874) 63 
dagegenstimmen, weil ich, wie Barth dann ausführte, der Meinung war, 
man solle nicht markten. 
Schließlich wurde ein Amendement angenommen, damit auch Delbrück 
mit berücksichtigt werden könnte. 
Wir trennten uns nach 11 Uhr und gingen dann noch in die Wein- 
handlung von Rubin, wo bis ½1 Uhr „gekneipt“ wurde. Am darauf- 
folgenden Tag, d. h. dem 14., war die zweite Beratung. Das Gesetz 
wurde bei namentlicher Abstimmung angenommen. Bennigsens Referat 
war meisterhaft. 
Am 15., Donnerstag, letzte Sitzung des Reichstags und Schluß im 
königlichen Schlosse. Morgen Einzug der Truppen. 
Der Einzug, 1) den ich von der Tribüne des Reichstags mit ansah, 
war der Glanzpunkt der Festtage. Ich konnte das Gefühl nicht unter- 
drücken, zu bedauern, daß es mir nicht vergönnt war, an den kriegerischen 
Ereignissen wenigstens als Zuschauer teilgenommen zu haben. Der Jubel 
war ungeheuer. Besonders wurden Moltke, der eben vom Kaiser den 
Marschallstab erhalten hatte, und Bismarck begrüßt. Der Vorbeimarsch 
vor dem Kaiser fand vor der Tribüne statt, auf der wir saßen. Man 
hatte den Reichstag, das diplomatische Korps und den Bundesrat auf die 
beiden Tribünen zwischen Palais und Opernhaus und zwischen Opernhaus 
und kronprinzlichem Palais untergebracht. Das Wetter war prachtvoll, 
nur die Hitze sehr stark. Prinz Albrecht erlitt einen kleinen Schlaganfall 
und wurde weggebracht. Als die Bayern mit den übrigen deputierten 
Soldaten vorbeikamen, wurde mein Nachbar, Herr von Beer, so gerührt, 
daß er mir dafür dankte, daß ich das zuwege gebracht. Um 3½ Uhr 
war alles vorüber, dann Enthüllung des Denkmals Friedrich Wilhelms III. 
Dann Diner bei Viktor. Abends Illumination. Ich ging bis zum 
Rathaus. Das Museum sehr schön. Die Bilder von Schinkel waren mit 
bengalischen Flammen erleuchtet. 
Sonnabend den 17. war das große Diner im Schloß. Abends 
Festtheater bei einer Hitze von 36 0 Reaumur. Allgemeines Zerfließen. 
Der Text der Festspiele war höchst unbedeutend. Bennigsen, mit dem ich 
darüber sprach, verwies auf Goethe, der ja auch nur sehr elende Gelegen- 
heitsgedichte gemacht habe, worauf ich ihm erwiderte, daß er aber auch 
solche Gelegenheiten nicht gehabt habe. Leider fehlt uns aber ein Goethe, 
um diese Zeit zu besingen. Sonntag Konzert bei Hof. Abermals Hitze. 
Cercle. Die Musik sehr gut gewählt. Unzahl von Souveränen, Prinzen, 
Generalen u. s. w. 
  
1) Am 16. Juni.
	        
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