Im Reichstage (1870 bis 1874) 65
will, deshalb wissen sie nicht, was sie dem König raten sollen. In ihrer
Verlegenheit, da sie Schlör behalten wollen, mit welchem einige von ihnen
eng verbunden sind, sollen sie sogar an Stauffenberg gedacht und ihm
vorgeschlagen haben, als Minister des Aeußern in ihre Mitte einzutreten.
Ob Stauffenberg abgelehnt hat oder ob die ganze Geschichte nur ein
Gerücht ist, kann ich nicht sagen. Völderndorff meinte, Lutz würde in
diesen Tagen zu mir kommen und mit mir Unterhandlungen anknüpfen
und mich zu bestimmen suchen, mit Schlör einzutreten. Der König soll,
wie gesagt, noch nichts von mir wissen wollen. Ich glaube aber, daß,
wenn Lutz wollte, Eisenhart den König für mich stimmen würde und daß
er sich nur dahinter versteckt, der König wolle nicht. Huber, dem ich auf
der Straße begegnete, schien Lust zu haben, selbst Kultusminister zu werden.
Diese Anzahl von Ministerkandidaten ist sehr interessant. Ich beriet mich
darüber mit Völderndorff. Wir stimmten darin überein, daß ich mit
Schlör nicht im Ministerium sein könne, daß aber Lutz, Pfretzschner und
Pranckh zu erhalten seien. Für das Ministerium des Innern wäre Pfeufer,
für Justiz Völderndorff zu nehmen. Das Handelsministerium wäre auf-
zuheben, ein Teil an das Finanzministerium, ein Teil an das Ministerium
des Innern abzugeben und die Verkehrs= und Handelsangelegenheiten
mit dem Ministerium des Aeußern zu vereinigen. Ergäben sich aber aus
der Aufhebung des Handelsministeriums zu große Schwierigkeiten, so könnte
auch Braun, der früher im Handelsministerium gearbeitet hat, die Leitung
desselben übernehmen. Am Montag war ich wieder bei Völderndorff.
Er sagte, der König sei noch nicht zu bewegen, Bray die Entlassung zu
geben. Nicht aus Neigung für Bray, sondern aus Beaquemlichkeit und
Furcht, einen Entschluß zu fassen. Eisenhart ging am Montag (dem 10.)
nach Hohenschwangau. Jedenfalls steht irgendeine Entscheidung in naher
Aussicht. Holnstein soll, wie Werthern sagte, sich dahin geäußert haben,
daß die Sache demnächst zur Entscheidung kommen werde. In dieser
Woche und während der Einzugsfeierlichkeiten war übrigens nicht daran
zu denken, daß Unterhandlungen mit mir begonnen werden würden; des-
halb reiste ich am 11. Abends hierher.
München, 28. August 1871.
Heute Abend war Hegnenberg#) bei mir. Er hatte sich mittels eines
Briefes angemeldet. Ich hätte den Besuch gern vermieden, aber es war
nicht möglich. Er setzte mir die Gründe auseinander, warum er sich ge-
nötigt gesehen habe, anzunehmen, und behauptet, dies in meinem Interesse
getan zu haben, da meine Zeit noch nicht gekommen sei und ich zu viele
1) Graf Hegnenberg-Dux war am 21. August zum Ministerpräsidenten und
Minister des Auswärtigen ernannt worden.
Fürst Hohenlohe, Denkwürdigkeiten. II 5