Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

68 Im Reichstage (1870 bis 1874) 
Mittags Sitzung im Reichstag. Graf Eulenburg, Präsident der Re- 
gierung in Wiesbaden, bat mich, mich zu beteiligen bei einer Versammlung 
zur Gründung eines Nationaldenkmals zu Ehren der Wiederaufrichtung 
des Deutschen Reichs, und zwar soll es auf dem Niederwald gemacht 
werden. Kosten 300000 Taler. Gelegenheit zu großen Festivitäten und 
Reden bei der Grundsteinlegung. Die Versammlung soll demnächst statt- 
finden, wo das Nähere festgestellt werden wird. Mit Wehrenpfennig über 
die Korruption der österreichischen Presse gesprochen. Es werde schwer 
sein, anständige Leute zu finden, die bereit wären, in die dortigen Jour- 
nale zu schreiben. 
22. Oktober. 
Gestern abermals beim kaiserlichen Diner. Diesmal in meiner Eigen- 
schaft als Vizepräsident. Um ¾5 Audienz des Präsidiums, Simson an 
der Spitze, und dann Diner. Ich rechts neben dem Kaiser, links Feld- 
marschall Herwarth von Bittenfeld. Wie der zum Feldmarschall kommt, 
ist mir unklar. Neben mir saß Kameke, der bei Spichern kommandiert 
und die Belagerung von Paris mit geführt hat. Ein recht durchtriebenes 
Gesicht eines militärischen Strebers. Freund von Konstantin (er war lange 
in Wien), hat auch Aehnlichkeit mit ihm. Einer, der es wohl noch zum 
Marschallstab bringen wird. Podbielski in Husarenuniform. Es ist 
sonderbar, wie die tüchtigsten Menschen Freude an Kindereien haben. 
Dieser berühmte General ist glücklich, sich in einer Husarenuniform zu 
präsentieren und hat sich deshalb seinen Vollbart abgeschnitten, um sich 
ein ungarisches Ansehen zu geben. 
Die Konversation bei Tische bewegte sich in militärischen Erinnerungen. 
Es war der Jahrestag eines französischen Ausfalls. Der Keiser erzählte 
mir davon. Sein schlesisches Grenadierregiment war den Tag zum Diner 
geladen, d. h. die Offiziere. Die Stunde war 4 Uhr. Da wurde um 
1 Uhr alarmiert, das Regiment rückte ins Gefecht. Um 6 Uhr war 
alles vorbei, und als der Kaiser zurückkam, fragte ihn der Hofmarschall, 
wie es mit dem Diner sei. Er antwortete: „Laden Sie die Offiziere also 
auf morgen,“ da kam der Adjutant des Regiments, meldete, daß das 
Regiment gleich einrücken werde, und so bestimmte der Kaiser, daß sie so, 
wie sie seien, zum Diner kommen sollten. Das geschah, und bald darauf 
saß alles bei Tisch. „Eben erst im Gefecht und dann in den wahrhaft 
prachtvollen Sälen“", welche damals der Kaiser bewohnte. 
Berlin, 25. Oktober 1871. 
Gestern Abend war die Fraktionssitzung, in welcher ich den Vortrag 
über Zivilehe zu halten hatte. Ich tat dies in ziemlich ungefährlicher 
Weise, sprach zuerst von der Veranlassung des Vortrags, von dem Wunsch
	        
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