76 Im Reichstage (1870 bis 1874)
halten, und als er beim Reden sitzen blieb, schrien viele: „Aufstehen!“
„Wann wird denn der Kerl aufstehen?" u. s. w., bis ihm die Schrift-
führer sagten, er sollte aufstehen.
Als die Wahl Simsons entschieden war, ging ich mit Weber zu ihm.
Wir fanden ihn im Bett, es war 10 Uhr, und er erklärte sich zur An-
nahme bereit. Als ich ihn fragte, ob ich es der Versammlung mitteilen
solle, sagte er, er würde es selber tun.
In den Fraktionen wurde an den folgenden Abenden viel über das
Pauschquantum von drei Jahren diskutiert.
Am 27. Abends hatten wir die entscheidende Fraktionssitzung. Die
Sachsen und einige Bayern waren dagegen.
Ich machte auf die allgemeine politische Situation aufmerksam, fragte,
ob überhaupt jemand glauben könne, daß wir in den nächsten drei Jahren
unter 225 Reichstaler heruntergehen könnten, ob man etwa das Miliz-
system einführen wolle? Wenn das aber verneint würde, so sei die an-
gebliche Ausübung „des konstitutionellen Rechts“ eine Illusion. Wir
müßten Ordnung in den Militärsachen haben, eine starke Armee, und
müßten dem Ausland beweisen, daß wir drei Jahre lang gewaffnet seien.
Dazu profitierten wir, indem wir nicht genötigt seien, mehr zu bewilligen.
In den darauffolgenden Plenarsitzungen wurde noch das Gesetz
über die Pfarrer und dann das Militärgesetz beraten. Ueber ersteres
und insbesondere über das Auftreten von Lutz waren die Ultramontanen
empört. Auch andre schüttelten den Kopf. So sagte u. a. Münster, wenn
die Bischöfe so sind, wie Lutz sie schildert, so müßte man sie ja „alle
totschießen"“. Man folgert daraus, daß es unklug sei, das Uebel, mit
welchem man ja doch fortleben müsse, so grell darzustellen. Die Diplo-
maten mißbilligen das Benehmen von Lutz. Auch hiesige Minister haben
mir in der gleichen Weise gesprochen. Schleinitz meinte sogar, Lutz bereue
jetzt, was er getan habe.
Am 28. Diner im Hotel de Rome mit der amerikanischen Kolonie.
Bancroft hatte mich eingeladen. Ich saß zwischen ihm und seiner Frau.
Er hielt Reden über Reden und hatte auch mich im Programm auf-
gezeichnet. Ich brachte den Toast auf die Vereinigten Staaten aus, der
hier beiliegt. Bancroft war damit sehr zufrieden und will ihn nach
Washington an Grant schicken.
Meine Herren! Wenn Sie durch die kleinen Städte und Märkte
meiner Heimat und insbesondere des fränkischen Landes reisen, so werden
Sie nicht leicht einen Ort finden, in welchem nicht einer oder mehrere
Bewohner durch Beziehungen der Familie oder des Verkehrs mit den Ver-
einigten Staaten von Nordamerika verknüpft wären.