Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Im Reichstage (1870 bis 1874) 83 
bundene Syllabus eine Entscheidung des Papstes ex cathedra sei oder 
nicht — es ist dies eine Frage, die innerhalb der Kirche selbst kontrovers 
ist —, das aber wird wohl nicht bestritten werden können, daß dieser 
Syllabus für die Tätigkeit des Jesuitenordens und die Zielpunkte seiner 
Bestrebungen die Richtschnur gibt. Auch lassen darüber die Schriften der 
Jesuiten nicht den geringsten Zweifel. Nun, meine Herren, einige Sätze 
des Syllabus hat mein Herr Vorredner bereits angeführt, Sie kennen den 
Syllabus. Ich habe bemerkt, daß sogar mehrere Exemplare des Sylla- 
bus hier im Saale vorhanden sind. Ich beschränke mich also darauf, 
Sie daran zu erinnern, daß der Syllabus dem Fortschritt, dem Libera- 
lismus und der modernen Ziovilisation den Krieg erklärt, ferner daß der 
Syllabus die Preßfreiheit, die Kultusfreiheit, die Gleichberechtigung der 
Konfessionen und auch die von dem Herrn Abgeordneten Moufang an- 
gerufene Gewissensfreiheit als verderbliche Irrtümer verdammt. Alle 
Schriftsteller des Ordens verteidigen diese Grundsätze, ich muß also an- 
nehmen, daß sie der Orden als solche adoptiert, und dann wundern sich 
die Jesuiten, wenn dieser von ihnen verdammten Welt endlich die Augen 
aufgehen und sie sich fragt: Können wir ein Institut in unfrer Mitte 
dulden, das uns die Grundlage unsrer Existenz unter den Füßen weg- 
ziehen will? Ja, wenn diese Sätze aufgestellt würden von einzelnen Ge- 
lehrten, die, von dem Rechte der freien Meinungsäußerung Gebrauch 
machend, sie der Kritik der gelehrten Welt preisgeben, so würden wir 
wenig dagegen zu erinnern haben. Allein der Jesuitenorden, der diese 
Sätze vertritt, ist ein wohlorganisiertes Heer, gegründet auf eine Disziplin, 
die jede militärische Organisation weit hinter sich läßt. Seine Streiter 
sind den Obern zu einem Grade des Gehorsams verpflichtet, der nicht 
allein das Opfer des freien Willens, sondern auch das Opfer der In- 
telligenz verlangt. Wenn Sie darüber irgend im Zweifel sind, so lesen 
Sie den Brief des Ignatius Loyola vom Jahre 1553: „De virtute obe- 
dientiae“. Sie werden dann über die Streitfrage, ob bedingter oder un- 
bedingter Gehorsam, ausreichend aufgeklärt sein. Der Orden ist eine 
Macht, die wohl jedes Mitglied dieser Versammlung kennen zu lernen 
Gelegenheit hatte oder noch kennen zu lernen Gelegenheit haben wird. 
Und, meine Herren, diesem feindlichen Heere sollen wir freie Hand lassen, 
jene Grundsätze durch die Macht, welche Seelsorge, Beichtstuhl und Unter- 
richt geben, zu verbreiten, sie denen als Nahrung zu bieten, die da hungern 
und dürsten nach der Gerechtigkeit! Meine Herren, wenn wir uns nicht 
selbst aufgeben wollen, können wir solche Zustände nicht länger dulden. 
Dieser Zustand ist im eigentlichen Sinne des Worts ein Notstand. 
Meine Folgerung aus diesen Vordersätzen geht dahin, daß es der 
zweckmäßigste Weg gewesen wäre, einen Gesetzentwurf nach dem Beispiele
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.