Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

84 Im Reichstage (1870 bis 1874) 
der Schweiz zu beschließen, der den Jesuitenorden einfach verbietet; es 
würde dazu ungefähr eines Gesetzentwurfs bedurft haben in drei Para- 
graphen, dessen erster den Grundsatz aufgestellt hätte: 
Der Jesuitenorden und die mit ihm in Verbindung stehenden 
Orden sind in Deutschland verboten, 
dessen zweiter Paragraph zu lauten hätte: 
Jeder Deutsche, welcher in den Jesuitenorden eintritt, verliert 
dadurch sein Staatsbürgerrecht. 
Und der dritte Paragraph würde meines Erachtens so lauten müssen: 
Kein Deutscher, welcher in einer von Jesuiten geleiteten Lehr- 
anstalt gebildet worden ist, kann in Deutschland in Staats= und 
Kirchendiensten angestellt werden. 
Ich habe aber darauf verzichtet, Ihnen das Vergnügen zu machen, 
einen solchen Gesetzentwurf hier der Diskussion zu unterstellen. Ich habe 
geglaubt, daß die Formulierung eines solchen Antrags nicht Sache der 
Petitionskommission des Reichstags bei Gelegenheit einer Petitionsberatung 
sei, sondern daß es zweckmäßiger sein würde, wenn ein solcher Gesetz- 
entwurf von seiten der verbündeten Regierungen eingereicht würde. Ich 
habe mich deshalb dem Antrage angeschlossen, welcher von einigen Mit- 
gliedern dieses Hauses heute Morgen eingereicht worden ist. Ich habe es 
aber getan in der Erwartung, daß dieser Antrag, wenn er hier Annahme 
findet, den verbündeten Regierungen die Grundlage geben wird, einen 
Gesetzentwurf in meinem Sinne vorzulegen. Ich empfehle Ihnen diesen 
Antrag, er hat jedenfalls den Vorteil, daß er die verbündeten Regierungen 
nicht veranlassen wird, halbe Maßregeln zu ergreifen. 
Fortsetzung des Journals vom 16. Mai. 
Als ich heute in die Sitzung kam, war man bemüht, die Konserva- 
tiven für den Vermittlungsantrag 1) zu gewinnen. Dies gelang auch. 
Ebenso mit den Freikonservativen, die es jedoch widerstrebend taten, da 
sie sich in ihrem Programm zugunsten der freien Bewegung der religiösen 
Genossenschaften engagiert hatten. Lamey zog unsern Antrag zurück, und 
so bekam der Vermittlungsantrag die große Majorität. Nach der Debatte 
sprach ich noch mit Bismarck und Friedberg, die Lust haben, noch diesem 
Reichstage einen Gesetzentwurf vorzulegen. 
  
1) Des Abgeordneten Marquardsen, welcher einen Gesetzentwurf forderte zur 
Regelung der rechtlichen Stellung der religiösen Orden und zur Bestrafung ihrer 
staatsgefährlichen Tätigkeit, namentlich der der Jesuiten. Der Antrag wurde mit 
205 gegen 84 Stimmen angenommen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.