Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

86 Im Reichstage (1870 bis 1874) 
wir unser Fraktionsdiner. Ich hatte Simson und Bennigsen eingeladen. 
Ersterer war aber nicht imstande, zu kommen. Bennigsen saß neben mir, 
gegenüber Prinz Wilhelm von Baden, den Rabenau eingeladen hatte. 
Bernuth hielt auf das Präsidium des Reichstags eine schwungvolle Rede, 
in welcher er sagte, daß die Namen Simson, Bennigsen und Hohenlohe- 
Schillingsfürst immer hervorragen würden in der Geschichte der deutschen 
Einigung; daß Simson im fernen Osten, Bennigsen im Westen und ich 
im Süden gewirkt hätten u. s. w. 
Bennigsen antwortete in unserm Namen in einer längeren Rede. 
Kastner trank dann auf das Wohl der drei Vorstände der Fraktion, ver- 
gaß aber, daß ich seit vorigem Jahr an die Stelle Roggenbachs getreten 
war, und nannte Barth, Bernuth und Roggenbach, was große Heiter- 
keit veranlaßte und Roggenbach zwang, zu antworten. So kam ich um 
den mir zugedachten Toast auf die Fraktion. Nach dem Diner ging ich 
mit Barth und Bennigsen in den Reichstag, wo die Versammlung der 
Delegierten aller Fraktionen versammelt war, um das Jesuitengesetz zu 
beraten. Ich wurde sofort durch Akklamation zum Vorsitzenden gewählt. 
Wir berieten bis ½12 und brachten auch einen Entwurf zustande, der 
am Montag wahrscheinlich ins Haus gebracht werden wird. Nach dem 
Schluß dieser Sitzung ging ich mit Lamey und andern in die Restauration 
Wilde, wo ich den dort versammelten Herren die Resultate bekanntgab. 
Berlin, 20. Juni 1872. 
Gestern dritte Beratung über das Jesuitengesetz. Ich war auch dies- 
mal vorbereitet zu sprechen, fand aber keine Veranlassung. Die Reden von 
Dorn und Gneist waren für die Freunde der Jesuiten vernichtend, die 
Brüder Reichensperger konnten den Schaden nicht wieder gutmachen, so 
sehr sie sich auch anstrengten. 1) Nach Erledigung der Tagesordnung 
wurde der Reichstag von Delbrück im Namen des Kaisers geschlossen. 
Vorher hatte der Alterspräsident noch eine sehr hübsche Dankrede an 
Simson gerichtet, die dieser wie gewöhnlich in gewählten Ausdrücken 
beantwortete. 
Abends im Woltersdorf-Theater, wo eine Posse gegeben wurde, in 
welcher wie gewöhnlich Papst, Unfehlbarkeit, Jesuiten u. s. w. besungen 
wurden. 
Dann in der sogenannten Parlamentarischen Vereinigung. Nachdem 
ich mich einige Zeit mit Thomas und Swaine unterhalten hatte, ging ich 
weg. Beim Weggehen hielt mich zuerst Marquardsen auf, der mir sagte, 
  
) In der Sitzung vom 19. Juni wurde das Jesuitengesetz in der unter den 
Delegierten der Fraktionen vereinbarten Fassung in dritter Lesung angenommen.
	        
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