172 Aufforderung zu einem Verbrechen und Erbieten zu einem solchen.
einer öffentlichen Unterstützung, bevor der Neuanziehende an dem Aufenthaltsorte
einen Unterstützungswohnsitz (Heimathsrecht) erworben hat und weist die Gemeinde
nach, daß die Unterstützung aus anderen Gründen, als wegen einer nur vorübergehen-
den Arbeitsunfähigkeit nothwendig gewesen ist, so kann die Fortsetzung des Aufent-
halts versagt werden (Freizügigkeitsgesetz § 4 ff.). Die thatsächliche Ausweisung darf
jedoch niemals erfolgen, bevor nicht entweder die Annahmeerklärung der in Anspruch
genommenen Gemeinde oder eine wenigstens einstweilen vollstreckbare Entscheidung
über die Fürsorgepflicht erfolgt ist (Freizügigkeitsgesetz § 6). — Selbstverständlich
find besonderen A. diejenigen Personen unterworfen, welche in besonderen Pflicht-
verhältnissen stehen, wie Beamte, Militärpersonen mit Einschluß gewisser Kate-
gorien des Beurlaubtenstandes (RMilitärgesetz v. 2. Mai 1874, § 60), beurlaubte
Sträflinge. Ueber die A. rücksichtlich der Ausländer s. diesen Art. Für Oester-
reich vgl. Staatsgrundgesetz v. 21. Dezember 1867 Art. 4 ff. und hinsichtlich
der Abschaffung Gesetz v. 27. Juli 1871. In Frankreich haben (ähnlich wie
vor dem Freizügigkeitsgesetz § 3 Abs. 3 in Berlin) nach Gesetz v. 1852 die Polizei-
präfekten zu Paris und die Rhönepräfekten die Befugniß, gewissen Individuen je
auf 2 Jahre den Aufenthalt im Seinedepartement und in der agglomération lyon-
naise zu untersagen. Leuthold.
Aufforderung zu einem Verbrechen und Erbieten zu einem solchen.
Der im Jahre 1876 unserem Straf G. (leider!) eingefügte § 49 a erklärt in
theilweiser Anlehnung an Art. 1 des Belgischen Gesetzes vom 7. Juli 1875
(welches durch den „Fall Duchêsne“ hervorgerufen wurde) als Vergehen strafbar:
I. Die A. zur Begehung eines Verbrechens (im engeren Sinne) oder zur Theil-
nahme an einem solchen sowie die Annahme einer solchen A. II. Das Sich-
erbieten zur Begehung eines folchen Verbrechens oder zur Theilnahme an einem Ver-
brechen sowie die Annahme eines folchen Erbietens. Hier ist zu bemerken: Zu I.
1. Die A. ist nicht gleich versuchter Anstiftung; für den Begriff der letzteren sind die
Mittel bzw. Formen der anstiftenden Handlung gleichgültig, dagegen fordert
*§ 49eine besondere Art des Vergehens, welche unter das Wort A. fällt. 2. Die
A. ist erst strafbar, wenn sie zur Kenntniß des Aufzufordernden gelangt ist, dann
kann sie aber durch Rücktritt nicht mehr straflos werden. 3. Die Annahme der
A. ist eine ernstliche Erklärung, der A. entsprechen zu wollen. Wer auf die A.
erklärt, er wolle ein Verbrechen begehen, zu dem er nicht aufgefordert ist, kann
wegen Erbietens zu einem Verbrechen strafbar sein, ebenso wer nur bedingt an-
nimmt. — Zu II. 1. Das Erbieten ist die Aeußerung eines bedingten Entschlusses,
bedingt dadurch, daß der Andere das Erbieten annimmt. Das Erbieten muß in
der Absicht geschehen, für den Fall der Annahme demselben gemäß zu handeln.
2. Betreffs des versuchten Erbietens gilt das unter I. 2 Gesagte. 3. Die An-
nahme des Erbietens, d. h. die ernstliche Erklärung, daß man mit dem Erbieten
einverstanden, event. bereit sei, die mit dem Erbieten verknüpften Bedingungen zu
erfüllen, ist strafbar, sobald sie erklärt ist, wenn sie auch noch nicht zur Kenntniß
des sich Erbietenden gekommen ist.
Nach Abs. 3 des § 49 a wird die lediglich mündlich ausgedrückte A. oder das
Erbieten sowie die Annahme eines solchen nur bestraft, wenn die A. oder das Er-
bieten an die Gewährung von Vortheilen irgend welcher Art geknüpft worden ist.
Die sog. symbolische A. oder das Erbieten ist nicht blos unter dieser Voraussetzung,
sondern, wie das schriftliche, auch ohne dieselbe strafbar (ein privilegium odiosum
des Stummen). — Unter „Vortheil“ ist hier jede Verbesserung der Lage in irgend
einer Hinsicht (nicht blos in pekuniärer) zu verstehen. A. und Erbieten muß an
die Gewährung von Vortheilen „geknüpft“ sein, d. h. mit der (mündlichen) A.
muß ausdrücklich die Zusage eines Vortheils oder die Gewährung eines solchen,
in der Absicht die Wirksamkeit der A. zu verstärken, verbunden sein; der sich