Gerichtsverfassung. 105
Landesgesetzgebung überlassen, zu bestimmen, durch welche Behörden die Akte derselben
(Vormundschaftssachen, Hypothekensachen, Aufnahme gerichtlicher Verträge u. s. w.)
erledigt werden sollen. Namentlich ist es (§ 4 d. EG. zum GV.) der Landes-
gesetzgebung freigestellt, denjenigen Behörden, welchen nach den Vorschriften des G.
die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit zu übertragen ist, neben Geschäften der
Justizverwaltung auch „jede andere Art der Gerichtsbarkeit“, mithin auch die
freiwillige Gerichtsbarkeit zu übertragen. Die „ordentliche streitige“ Ge-
richtsbarkeit ist aber diejenige, welche nach § 12 des G. ausgeübt wird „durch
Amtsgerichte und Landgerichte, durch Oberlandesgerichte und durch
das Reichsgericht.“ Mit diesen Gerichten stehen aber im Zusammenhange:
1) die Schöffengerichte, welche (§ 25 des GVG.) für die Verhandlung und
Entscheidung von Strafsachen bei den Amtsgerichten gebildet werden; 2) die Schwur-
gerichte, welche ebenfalls „für die Verhandlung und Entscheidung von Strafsachen“
bestimmt sind, aber (§ 79 des GVG.) bei den Landgerichten periodisch zusammen-
treten; 3) die Kammern für Handelssachen, welche (§ 100 des G.),
soweit die Landes justizverwaltung ein Bedürfniß als vorhanden annimmt, bei den
Landgerichten für deren Bezirke oder für örtlich abgegrenzte Theile derselben gebildet
werden können, wobei es nicht ausgeschlossen ist, daß die Handelskammern inner-
halb des betreffenden Landgerichtsbezirks ihren Sitz auch an einem von dem Sitze
des Landgerichtes verschiedenen Orte haben.
Um also zu bestimmen, was unter „ordentlicher, streitiger Gerichtsbarkeit“
zu verstehen ist, wird es erforderlich, festzustellen, welche Rechtsstreitigkeiten den so-
eben bezeichneten Gerichten zur Entscheidung überwiesen sind. Und diese Frage be-
antwortet § 13 des GVG. mit den Worten: „Vor die ordentlichen Gerichte gehören
alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und alle Straffachen, für welche nicht entweder
die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist,
oder reichsgesetzlich besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind.“ Hiernach gehört
zur ordentlichen Gerichtsbarkeit nur die Entscheidung über bürgerliche Rechtsstreitig-
keiten und Straffachen; es würden mithin Rechtsstreitigkeiten, welche weder unter
den einen noch unter den andern dieser beiden Begriffe fielen, wie deren z. B. Art.
76, 77 der Verfassung des Deutschen Reichs vorgesehen hat, von den ordentlichen
Gerichten nicht zu entscheiden sein. Doch mag bemerkt werden, daß die Bezeichnung
„bürgerliche Rechtsstreitigkeit“ alle diejenigen Arten von Rechtsstreitigkeiten umfaßt,
von welchen die CPO. handelt, also namentlich auch Ehefachen, sowie, daß alle
Rechtsstreitigkeiten, zu welchen das Konkursverfahren Veranlassung giebt, sowie dieses
selbst ebenfalls den bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zuzuzählen ist. Aber nicht alle
„bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und Strafsachen“ gehören zur „ordentlichen streitigen
Gerichtsbarkeit“, sondern dies gilt nur von solchen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten
und Strassachen, für welche nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungs-
behörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist, oder reichsgesetzlich besondere Ge-
richte bestellt oder zugelassen sind. Die ordentliche Gerichtsbarkeit wird mithin ein-
geschränkt:
1) durch Gerichte, welche durch das Reich selbst bestellt sind, wie dies bei den
Militärgerichten und den Konsulargerichten der Fall ist. (Vgl. hierüber den
Art. Militärstrafverfahren.)
2) durch Gerichte, welche, obwol Landesgerichte, doch durch das Reich zu-
gelassen sind, deren Existenz mithin von dem gesetzgeberischen Willen der Einzel-
staaten insofern abhängig ist, als es bei den Einzelstaaten steht, ob sie von der Er-
laubniß des Reichs, gewisse Arten von Gerichten einsetzen zu dürfen, Gebrauch machen
wollen. Diese „besonderen Gerichte“ sind in § 14 des GV. speziell aufsgeführt,
derartig, daß außer den hier genannten andere Gerichte, weil vom Reich nicht ge-
stattet, als reichsgesetzlich verbotene Gerichte anzusehen sind. Diese Gerichte sind:
a) die auf Staatsverträgen beruhenden Rheinschiffahrts= und Elbzollgerichte (Rhein-