Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

108 Gerichtsverfassung. 
halt der Normativbestimmungen zeigt — nicht blos zur Entscheidung negativer, 
sondern ebenso auch zur Entscheidung positiver Kompetengkonflikte dienen können 
(wobei es landesgesetzlichem Ermessen vorbehalten bleibt, zu bestimmen, ob sowol 
Gerichte wie auch Verwaltungsbehörden, oder ob nur Verwaltungsbehörden zur Er- 
hebung des Kompetengkonfliktes berechtigt sein sollen). Wenn übrigens die Errichtung 
solcher besonderer Behörden im Allgemeinen Gegenstand der Gesetzgebung ist, so können 
doch in denjenigen Deutschen Staaten, in denen schon, wie in Preußen, Kompetenz- 
gerichtshöfe bestehen, die Aenderungen, denen diese Behörden nach Maßgabe der oben 
dargelegten Normativbestimmungen unterworfen werden müssen, durch landes- 
herrliche Verordnung herbeigeführt werden. (Bgl. Preuß. Verordn. v. 1. Aug. 
1879, Ges.-Samml. S. 573—577; § 17 Abs. 2 des ESG. zum GV.) Auch 
ist die Möglichkeit gegeben, von der Wirksamkeit einer solchen Behörde, selbst ohne 
daß sie als besondere Behörde existirt, Nutzen ziehen zu können, da nach § 17 
Abs. 1 des EG. zum G. auf Antrag eines Bundesstaates und mit Zustimmung 
des Bundesrathes die Funktionen von Kompetenzgerichtshöfen durch kaiserliche Ver- 
ordnung dem Reichsgerichte zugewiesen werden dürfen. 
Mit den oben berührten Vorschriften steht auch die Bestimmung des § 11 des 
EbG. zum GB. im Zusammenhange, nach welchem diejenigen landesgesetzlichen Be- 
stimmungen, durch welche die strafrechtliche oder civilrechtliche Verfolgung öffentlicher 
Beamten wegen der in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung ihres Amtes 
vorgenommenen Handlungen an besondere Voraussetzungen gebunden ist, außer Rraft 
gesetzt werden. Diese Vorschrift beseitigt namentlich auch das Preußische Gesetz vom 
13. Febr. 1854 (betr. die Konflikte bei gerichtlichen Verfolgungen wegen Amts= und 
Diensthandlungen), nach welchem die Verwaltungsbehörden in die Lage gesetzt waren, 
dann, wenn gegen einen Beamten in Bezug auf sein Amt im Wege des Civil= oder 
des Strafprozesses eine Verfolgung eingeleitet wurde, den Kompetenzkonflikt zu erheben 
und dadurch die Entscheidung den Gerichten zu entziehen. Dieses einer Rechts- 
verweigerung ziemlich nahe kommende Verfahren ist nunmehr beseitigt, und nur noch 
als Erinnerung an frühere Zeiten ist die Bestimmung erhalten geblieben, nach welcher 
die Vorentscheidung darüber, ob der Beamte sich einer Ueberschreitung seiner Amts- 
befugnisse oder der Unterlassung einer ihm obliegenden Amtshandlung schuldig ge- 
macht habe, entweder von dem obersten Verwaltungsgerichtshof, oder, wo ein solcher 
nicht besteht, von dem Reichsgerichte zu treffen ist. · 
Die vorstehende Darstellung ergiebt, daß die Frage, bei welchen bürgerlichen 
Rechtsstreitigkeiten die Entscheidung der ordentlichen Gerichte eintritt, nur für sehr 
vereinzelte Fälle von dem GVG. oder von anderen Reichsgesetzen entschieden ist, daß 
vielmehr diese Frage im Wesentlichen durch die Landesgesetzgebung geregelt wird und 
auch in Zukunft geregelt werden soll. Das heißt denn aber nichts anderes als: 
Die erste die Zuständigkeit der Gerichte in bürgerlichen Rechts— 
streitigkeiten betreffende Frage ist — abgesehen von einzelnen 
Ausnahmen — der landesgesetzlichen Regelung anheimgegeben. 
Um nun den Inhalt des GVG. kurz zu präcisiren, ist es erforderlich, den all— 
gemeinen Begriff der Zuständigkeit der Gerichte in seine einzelnen Bestand— 
theile zu zerlegen. Dies geschieht in folgender Weise: 
1) Es ist vor Allem die Frage zu beantworten: Sind zur Entscheidung 
einer Rechtsstreitigkeit die ordentlichen Gerichte überhaupt zu- 
ständig? 
Wird diese Frage bejaht, so ist zu entscheiden: 
2) welche Art von Gerichten (Amtsgerichte, Landgerichte, Oberlandes- 
gerichte, Reichsgericht) ist zur Entscheidung dieser Artvon Rechtsstreitig- 
keiten zulässig (sachliche Zuständigkeit); und da jede Rechtsstreitigkeit zu- 
erst in der ersten Instanz zu entscheiden ist, so kommt es für die Praxis auch zunächst 
darauf an, entsprechend den Grundsätzen über die sachliche Zuständigkeit, diejenige
	        
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