Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

Gerichtsvorsitzender. 123 
der durch Einfügung der Worte „als unzulässig“ erzielten Beschränkung sehr reduzirt. 
Dennoch kann man nicht umhin, dieser Auffassung sich anzuschließen, weil die 
Ausschließung von der Betheiligung am Kreuzverhör nach Obigem ein tieferer Ein- 
griff ist, als die Beanstandung einer einzelnen Frage und ihm gegenüber das Gesetz 
nicht einen geringeren Schutz zu gewähren beabsichtigen konnte. — In jenen Fällen 
nämlich, wo das Kreuzverhör nicht eintritt: haben die Organe der Anklage und Ver- 
theidigung sowie die beisitzenden Richter das Recht, Fragen an die Zeugen und Sach- 
verständigen zu stellen; der Vorsitzende hat ihnen dies „zu gestatten“, d. h. das Wort 
zu ertheilen und soweit es sich dabei nicht um die beisitzenden Richter handelt, kann 
er ungeeignete oder nicht zur Sache gehörige Fragen zurückweisen (§ 240, Abs. 2). 
Die nun folgende Bestimmung: „Zweifel über die Zulässigkeit einer Frage entscheidet 
in allen Fällen das Gericht“ — bedeutet jedenfalls, daß Derjenige, dessen Frage zurück- 
gewiesen wurde, sowie Derjenige, der eine von einer Partei beabsichtigte Frage bean- 
standet, Entscheidung des Gerichtes begehren könne. Der Wortlaut umfaßt 
auch den Fall, wo der Vorsitzende oder eine Partei Zweifel gegen die Zulässigkeit 
einer von einem beisitzenden Richter gestellten Frage anregt, und selbst auch 
den Fall, wo Einwendungen gegen eine vom Vorsitzenden gestellte Frage er- 
hoben werden. Es scheint, daß — so mißlich sich die Dinge gestalten können und 
so zaghaft die Besorgniß davor den Vorsitzenden bei diesen, eine augenblickliche 
Entschließung fordernden Vorgängen machen muß, — das kategorische „in allen 
Fällen“ eine andere Auslegung nicht gestattet. Eine andere Frage aber ist das 
Verhältniß bei der Vernehmung des Angeklagten; das Recht, an dieser sich 
zu betheiligen, spricht das Gesetz weder den beisitzenden Richtern, noch der Staats- 
anwaltschaft oder Vertheidigung ausdrücklich zu. Es scheint daher auch keine Mei- 
nungsverschiedenheit darüber zu herrschen, daß ein direktes Fragerecht denselben 
nicht zukomme, und der Fassung des § 239 liegt der in der Reichstagskommission 
bestimmt (von Gneist) ausgesprochene Wille zu Grunde: „Den Angeklagten soll 
Niemand befragen als der Vorsitzende“. Es fehlt zwar an jedem Anhaltspunkte, 
um zu beurtheilen, warum das den beisitzenden Richtern gegenüber für nöthig 
erachtet wurde; man kann aber kaum glauben, daß ein anderes Motiv obwaltete, 
als die Besorgniß, es könnte den Angeklagten beunruhigen und verwirren, wenn er 
gewissermaßen von allen Seiten her von Fragen umschwirrt würde. Daß nun 
daran wenig sich ändert, wenn an die Stelle des direkten Fragerechtes das Recht 
gesetzt wird, vom Vorsitzenden und eventuell vom Gericht die Stellung einer Frage 
zu begehren, ist klar. Andererseits ist umgekehrt die Stellung, welche der im § 241 
aufgestellten Regel gegeben wurde, eine solche, daß ihre Anwendbarkeit auf Fragen, 
welche der Vorsitzende an den Angeklagten stellen will, nicht nur nicht ausgeschlossen 
ist, sondern daß Alles dafür spricht, sie sei beabsichtigt gewesen, da sonst die Ein- 
reihung als Abs. 3 des § 240 viel näher lag. Das Resultat ist also: daß ein 
prozessuales Recht irgend einer Person, vom Vorsitzenden die Stellung von Fragen 
an den Angeklagten zu begehren, nicht bestehe, daß dagegen jede an der Verhand- 
lung betheiligte Person Zweifel gegen die Zulässigkeit der Fragen des Vorsitzenden 
anregen und Gerichtsbeschluß darüber begehren könne. Was man dagegen geltend 
machen kann, fällt durchaus in das Bereich der Erörterung von Gründen, welche 
den Gesetzgeber, und zwar in beiden Beziehungen, zu anderen Entscheidungen be- 
stimmen sollten, kann aber gegen die aus dem Wortlaut und der Art der Anord- 
nung des Gesetzes hervortretende Absicht des Gesetzes nicht aufkommen. Soweit 
es sich um Ergänzung des Verhöres des Angeklagten handelt, wird übrigens 
leicht der Sache die Wendung gegeben werden können, daß ohne nähere Angabe 
der Erhebungsart ein Antrag gestellt wird, bestimmte Thatumstände durch geeignete 
Erhebungen aufzuklären, und hierüber, als über eine Frage der Sachleitung Ge- 
richtsbeschluß gefordert werden können.
	        
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