Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

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ordnen, welches darüber Bericht zu erstatten hat.“ Diese Befugniß des Vorsitzenden 
ist aber keineswegs als ein Recht aufzufassen, sich über das Gesetz hinauszusetzen; 
z. B. Schriftstücke verlesen zu lassen, deren Verlesung nach 8 252 unzulässig ist; 
in das Recht des Gerichtes, über Vertagung der Verhandlung zu beschließen, ein- 
zugreifen, während dem G. nur das Recht zusteht, dieselbe soweit zu unterbrechen, 
als er es zur nöthigen Erholung der betheiligten Personen oder zur „unverzüglichen 
Herbeischaffung“ von Beweismitteln erforderlich findet (88 273, 276). Noch weniger 
kann dadurch das Recht des Gerichtes, Ergänzung des Beweismaterials anzuordnen, 
beeinträchtigt werden. — Die „Leitung“ und äußere Anordnung ist das eigene 
Recht des Vorsitzenden; deshalb mußte in dem oben angeführten § 256 das Recht 
des Gerichtes, ebenfalls die Sonderung der Schlußverträge über Schuld und Strafe 
zu verfügen, ausdrücklich hervorgehoben werden. In allem Uebrigen gilt dagegen 
die Regel des § 238: „Wenn im Laufe der Hauptverhandlung über einzelne 
Punkte des Verfahrens von den Parteien entgegengesetzte Anträge gestellt 
werden oder wenn der Vorsitzende dem unbestrittenen Antrage einer Partei nicht 
stattzugeben findet, so entscheidet über solche Fragen der Gerichtshof.“ Die Vor- 
schrift, daß solche Beschlüsse stets zu begründen sind, die Hinweisung auf dieselbe 
in den Bestimmungen über die Nichtigkeitsbeschwerde (§ 281 Z. 4, § 344 3Z. 5) 
charakterisirt dann des Näheren diese Incidentalbeschlüsse als das Mittel, die auf- 
getauchten Fragen zu präcifiren und der Entscheidung der Nichtigkeitsinstanz offen- 
uhalten. 
zuh Gsgb. u. Lit.: Die im Text citirten Stellen der Deutschen und Oesterreichischen 
Gesetze und die beim Art. Ablehnung der Geschworenen angeführten, nach Paragraphen 
gereihten Kommentare. — Mittermaier, Gesetzgeb. u. Rechtsuͤbung über StrafVerf. (Erl. 
1856), S. 449 ff. — Zachariä, Handbuch des Deutschen Strafprozeßrechts, I. S. 325 ff. — 
v. Würth, Oesterr. StrafPO. v. 1850, S. 431—438, 444—448, 460—466. — Frantz, 
Der Preuß. Straf Prz. (1852), S. 155. — Oppenhoff, Die Preuß. Gesetze über das Ver- 
fahren in Strafsachen, bei § 54 u. Art. 51. — v. Schwarze, Kommentar z. Sächs. Stras P. v. 
1855, II. S. 66 ff. (und die daselbst angeführte Literatur). — Rulf, Kommentar zur StrafP. 
für das Kaiserthum Oesterreich v. 1853, II. S. 20 ff. — Rehm, Die Stellung der Vor- 
sitzenden 2c., Gerichtssaal 1860, S. 3—18. — Ullmann, Das Oesterr. StrafPrz.R. (1879), 
S. 520 ff. — Fuchs in v. Holtzendorff's Handbuch II. S. 70—79. — v. Bar, Systematik d. 
D. Straf Prz.R., S. 25, 26. — Dochow, RtrasPrz. (Z. Aufl.), S. 220—223.— Voitus, Kon- 
troversen (1879), S. 33—39. — Hélie, Pratique criminelle I. p. 210 n. 428, 429. — Tré- 
butien, Cours 61. de droit crim. (1854) II. Titre IV. Sect. III. (p. 376 ss.); Sect. IV. § II. 
(p. 389 ss.). — (Mit Rücksicht auf den Umstand, daß nach Französischem Recht nur der 
Schwurgerichtspräsident das sogen. pouvoir discrétionnaire hat, werden auch in der 
neueren Deutschen Literatur die meisten Erörterungen über die Stellung des Präsidenten an 
die über den Schwurgerichtspräsidenten geknüpft. S. daher die Literaturangabe bei 
diesem Art.) Glaser. 
Gerlach, Ernst Ludwig von, 8 7. III. 1795 zu Berlin, Mitarbeiter am 
„Politischen Wochenblatt“, dem Organ des sog. Klubs der Wilhelmsstraße, welcher 
die Grundsätze der feudal-konservativen Partei vertrat und die Umbildung des Staates 
in einen sog. „christlich-germanischen“ erstrebte, Mitarbeiter der Hengstenberg'schen 
Kirchenzeitung, 1842—44 im Justizministerium beschäftigt, thätig bei der Reform 
des Eherechts, 1844 Präsident des Oberlandesgerichts in Magdeburg, dem er 30 
Jahre angehörte, Aufsehen erregend durch seine „Rundschauen“ in der Kreuzzeitung, 
Vorkämpfer der Reaktion gegen die Neugestaltung des Jahres 1866, heftigster Gegner 
des Gesetzentwurfs über Einführung der obligatorischen Civilehe, bei seinem fünfzig- 
jährigen Dienstjubiläum zum Hallenser Ehrendoktor ernannt, wegen einer gegen die 
Regierung gerichteten Flugschrift 1874 zu einer Geldstrafe verurtheilt, nahm Sep- 
tember 1874 seine Entlassung aus dem Staatsdienst, protestirte in der Kammer gegen 
die Kirchenpolitik der Regierung, 16. II. 1877 von einem Wagen überfahren, 
18. II. 1877. 
Schriften: Die Annexionen und der Norddeutsche Bund, Berlin 1866. — Die Freiheits- 
tendenzen unserer Zeit, 1866. — Schlußwort zu Fürer, Die Todesstrafe, Schönebeck 1869. —
	        
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