Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

180 Geschäftsgang. 
zeßordnung umfaßt ja eine ganze Reihe solcher Geschäfte —, bedarf es solcher Re- 
eln nicht. 
8 Der G. beim streitigen schriftlichen Verfahren hat nur noch antiquarisches In- 
teresse, seitdem Deutschland, welches fast allein von allen Kulturländern die kano- 
nische Uebung zum Gem. R. erhoben hatte, sich nunmehr davon ebenfalls abgewen- 
det hat. 
1. Im streitigen bürgerlichen Rechtsverfahren, wo immer mehrere 
Personen einander als Widerpart gegenüberstehen, kann man unter der Herrschaft 
des Mündlichkeitspringips zwei Systeme der succefsiven Geschäftserledigung unterscheiden, 
das Rollensystem und das System der Verhandlungstermine. 
1) Beim Rollen system hat vor dem Momente des Vortrages der Sache in der 
Sitzung die Partei mit dem Gericht und das Gericht mit der Partei schlechterdings 
nichts zu schaffen, sondern nur die Partei mit dem die Ladung bewerkstelligenden 
Gerichtsschreiber. Ladung aber und Terminbestimmung erscheinen dabei als eine 
gleichzeitige einheitliche Prozedurhandlung. Bei Sachen, in welchen kein Anwalts- 
zwang besteht — bei Parteiprozessen — wird der Erscheinungstermin vom 
Gerichtsschreiber mit Festhaltung der gesetzlichen Erscheinungsfristen auf einen 
Sitzungstag festgesetzt, an welchem dann die Partei erscheinen muß. Bei Anwalts- 
prozessen enthält die Ladung überhaupt keine Terminangabe, sondern nur die 
Angabe der gesetzlichen Erscheinungsfrist, binnen welcher der Vorgeladene seinerseits 
einen Anwalt zu bestellen hat, der sodann sich dem in der Ladung ebenfalls bezeich- 
neten Anwalt des vorladenden Theils gegenüber durch einen Schriftsatz als Gegen- 
anwalt vorstellt. Beide Anwälte erscheinen sodann als domini litis, ohne daß nach 
ihrer Vollmacht gefragt werden dürfte. Das Erste nun, was sodann der be- 
treibende Theil, in den meisten Fällen also der Kläger, zu thun hat, ist, daß er die 
Sache in ein dazu bestimmtes Register, in Frankreich, Belgien 2c. die Rolle ge- 
nannt, eintrage. Damit wahrt er im Prinzip sein Recht auf Priorität der Ver- 
handlung nach Maßgabe seiner Nummer, von vielfachen Ausnahmsfällen aller- 
dings abgesehen. In der Regel aber erfolgt der Aufruf der einzelnen Sache nach 
der Nummernfolge der Rolle. Bei Parteiprozessen pflegt beim Beginn der Sitzung 
ein vorbereitender Aufruf aller Nummern mit Angabe der Parteien zu erfolgen, 
damit, wo eine Partei nicht erscheint, sofort Versäumnißurtheil ergehen und ganz ein- 
fache Sachen, z. B. solche, wo die Parteien einig gehen, sofort erledigt werden 
können. Sodann werden die verbleibenden Sachen nach Nummernfolge aufgerufen 
und verhandelt, bis zum Schluß der Sitzung. Reicht die Zeit nicht für den ganzen 
Vorrath aus, so behalten die erledigten Sachen ihr Prioritätsrecht in der nächsten 
Sitzung. Im Anwaltsprozesse sind die Anwälte genöthigt, die Rolle oftmals 
genau einzusehen, um zu erfahren, welche Sachen ihre Gegner zur Erledigung gegen 
sie zu bringen beabsichtigen. Denn was nicht zur Rolle gebracht ist, kann über- 
haupt nicht verhandelt werden. Vom Tage des Rolleneintrags an muß nun im 
Prinzip jeder Anwalt gewärtig sein, in jeder Sitzung jede eingetragene Sache vor- 
tragen zu müssen. Nur sind die Ausnahmsfälle häufiger als im Parteiprozesse, um 
Zeit und Kräfte der Anwälte soweit thunlichst zu Rathe zu halten. Am eingrei- 
fendsten ist die Einrichtung, daß die Präsidenten Spezialrollen bilden aus den- 
jenigen Sachen, die sie ratenweise nach Nummernfolge den einzelnen Senaten zur 
Erledigung während einer bestimmten Zeit, also etwa einer Woche und nach Ab- 
lauf einer bestimmten Zeit, also etwa nach vier Wochen, zutheilen. Innerhalb der 
Spezialrollen befinden sich nun aber die Parteien, d. h. die Anwälte ganz in der 
Lage, wie im Parteiprozesse, d. h. sie müssen jeden Augenblick, so lange die Sitzung 
währt, sich auf den Vortrag jeder ihrer auf der Spezialrolle befindlichen Sachen 
gefaßt halten. 
2) Beim System der Terminverhandlungen, welchem die Deutsche CPO. 
folgt, wird nur auf bestimmte vom vorsitzenden Richter fixirte Termine geladen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.