Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

182 Geschäftsgang. 
Ausdruck richtiger gewählt, als er für die separaten Verhandlungsprotokolle unserer 
Deutschen CPO. gewählt ist. Diese Blätter, zusammengebunden Register genannt, 
bilden dann aber auch im Wesentlichen das Archiv der Gerichtsschreiberei, da wo 
das Rollensystem herrscht, für die ganze streitige Gerichtsbarkeit, nebst einer Anzahl 
von Bänden ebenfalls gleichartigen Inhalts. Besondere Aktenfascikel für die ein- 
zelnen Prozesse sind schlechterdings nicht vorhanden. Die ganze Prozedur liegt in 
den Manualakten der Parteien. Nach der Keutdchen O. wird für jeden 
Prozeß vor Gericht ein besonderer Fascikel angelegt, der die Gerichtsakten enthalten 
soll. Man hat sich zum Aktensystem, anstatt zum Registersystem entschlossen. 
Es war dies am Ende auch dadurch geboten, daß mindestens die Anträge der Par- 
teien zur Rechtfertigung der gerichtlichen Erkenntnisse gegen Bemängelung wegen etwa 
behaupteter Nichtberücksichtigung einzelner Petita irgendwo verwahrt werden müssen, 
da man sich zur Einführung des allerdings nicht einfachen und recht unklaren In- 
stituts der Oualitäten nicht verstehen mochte. Die Belastung der Gerichte mit 
dem Kostenwesen, den Zeugenladungen 2c. kann auch dazu thun, daß die „Gerichts- 
akten“ recht stattlich sich aufbauschen. 
Gegenseitige Zugeständnisse der Parteien, wofür die Verhandlungs- 
protokolle am wenigsten entbehrlich erscheinen mögen, bedürfen derselben dann nicht, 
wenn die Praxis sich ausbildet, daß die Parteianträge sich auch auf deren Beurkun- 
dung erstrecken. Die Verhandlung darüber kann die Bedeutung und Tragweite der 
Erklärung nur noch sicherer klar stellen, als ein gewöhnliches Protokoll. 
Die Vorladung der Zeugen den Parteien zu überlassen, wie es die Französische 
Prozeßordnung thut, ist für alle Theile nützlich. Den Gerichten erleichtert es den 
G. und für die Parteien fällt damit die Nothwendigkeit hinweg, von vornherein die 
Zeugen namhaft zu machen. Das wirkt sehr störend, da erst die genaue Kenntniß 
des Beweisthemas die Partei in den Stand setzt, die richtigen Zeugen aufzusuchen. 
Der korrekte G. bei der gerichtlichen Berathung, wenn das Gericht 
sich nicht sofort über den Spruch einigen kann, besteht nur darin, daß die Akten 
und Schriftsätze vom Gericht privatim studirt werden. Bildet das Gericht ein Kol- 
legium, so werden die Akten bei den Mitgliedern cirkuliren, bei sehr verwickelten 
Sachen, also z. B. bei Rechnungs= und Theilungsprozeduren, ist, das kann bei dem 
krassesten Mündlichkeitsrigorismus nicht geleugnet werden, der Schwerpunkt der Ver- 
handlung und Entscheidung in den Schriftsätzen und dem richterlichen Aktenstudium 
gelegen, und da ist denn die Bestellung eines Referenten durchaus am Platze. Eine 
schriftliche Relation ist indeß nicht erforderlich, der Referent wird auf Grund der in 
großen Zügen gehaltenen Plaidoirien sofort einen Urtheilsentwurf zur Berathung vor- 
legen. Auch wo die Erörterung der Rechtspunkte allein zulässig ist, wo also das 
Material zur Entscheidung lediglich in den bestehenden Rechtsnormen liegt, ist dieses 
Verfahren völlig den Verhältnissen entsprechend, also immer bei dem Reichs- 
gerichte. Auch die Kassationshöfe des Französischen Rechtsgebiets entscheiden ledig- 
lich auf den Vortrag eines Referenten, der auf Grund eines Schriftenwechsels der 
Parteien, denen nur zusätzliche mündliche Bemerkungen gestattet sind, in einem vom 
Präsidenten bestimmten Termin einen Bericht erstattet. 
II. Bei Strafsachen ist für die Untersuchung der G. überall der näm- 
liche, nur modifizirt durch die größere oder geringere diskretionäre Gewalt des In- 
struenten. Im Hauptverfahren kann es entweder der Staatsanwaltschaft über- 
lassen bleiben, die Angeklagten in eine bestimmte Sitzung zu laden oder der Vor- 
sitzende kann die Termine für die Vorladung fixiren. Beide Beamte vermögen auf 
Grund des ihnen ja jederzeit zugänglichen Aktenmaterials das Zweckmäßigste zur 
Ausnutzung der Sitzungszeit zu ermessen. Wo den Parteien die Beschaffung des 
Beweismaterials obliegt, da wird allerseits das Rollensystem seine Vorzüge bieten. 
Das Nämliche wird indeß da erreicht, wo die Vorsitzenden der Praxis folgen, alle 
Beleidigungssachen rc. in besondere periodisch festgesetzte Sitzungen zu fixiren. In
	        
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