136 Geschäftsordnung.
bei anhaltendem Lärme in der Versammlung selbst die Sitzung auf kurze Zeit
vertagen.
Haben alle eingeschriebenen Redner gesprochen, oder meldet sich kein weiteres
Mitglied zum Wort, so wird die Diskussion geschlossen. Doch kann dieselbe schon
vorher durch Abstimmung des Hauses über einen Antrag auf Schluß der Diskussion
oder auf einfache Tagesordnung beendigt werden. Hierauf erhalten nur noch der
Antragsteller und der Berichterstatter, sowie diejenigen Mitglieder das Wort, welche
sich zu einer sog. persönlichen Bemerkung, d. i. zu einer Vertheidigung, zur Auf-
klärung eines Mißverständnisses u. dgl., veranlaßt sehen.
Hierauf erfolgt endlich die Fragestellung des Präsidenten und die Abstimmung.
Vor derselben muß die Prüfung der durch die Verfassung festgesetzten Beschlußfähig-
keit des Haufes stattfinden, falls dieselbe zweifelhaft ist. Auf die Abstimmung zu
verzichten, ist regelmäßig unstatthaft, überall aber demjenigen Mitgliede geboten,
dessen Recht auf einen Platz im Hause Gegenstand der Abstimmung ist.
Die Abstimmung selbst erfolgt entweder durch Namensaufruf oder durch Auf-
stehen und Sitzenbleiben oder endlich, wie bei der Wahl des Präsidenten und der
Kommissionen, durch Stimmgettel. Im Deutschen Reichstage ist durch Beschluß
vom 9. April 1874 ein der G. des Englischen Parlaments entlehnter Abstimmungs-
modus für den Fall angeordnet worden, daß die Abstimmung durch Aufstehen und
Sitzenbleiben ein unsicheres Resultat ergiebt: hiernach verlassen sämmtliche Mitglieder
den Saal, welcher bis auf je Eine Thür an der Ost= und an der Westseite ge-
schlossen wird, und werden beim Wiedereintritt, welchen die Jas durch die eine, die
Neins durch die andere Thür zu bewirken haben, von den Schriftführern gezählt.
Regelmäßig ist absolute Majorität nothwendig; nur für die Verfassungsänderungen
wird meistens (jedoch nicht in der Preußischen und der Deutschen Verfassung) Zwei-
drittel-Majorität verlangt. Bei Stimmengleichheit ist nach einzelnen Verfassungen
die Wiederholung der Abstimmung nothwendig; ist auch diese erfolglos, so steht
entweder dem Präsidenten die entscheidende Stimme zu (so in Sachsen) oder der
Antrag gilt als abgelehnt (so in Oldenburg und Schwarzburg-Sondershausen).
Wieder andere Verfassungen und G. verfügen das eine oder andere Auskunftemittel
sofort, nicht erst nach einer zweiten Abstimmung; so gilt im Deutschen Reichstag,
in beiden Preußischen Häufern und in den Bayerischen Kammern bei Stimmengleich-
heit die vom Präsidenten gestellte Frage für verneint, während in Württemberg und
Baden in gleichem Falle die Stimme des Präsidenten entscheidet.
Jede Abstimmung ist ein definitiver, für die laufende Session unwiderruflicher
Beschluß. Nur die erste Abstimmung über Verfassungsänderungen wird in Preußen
erst durch die nach 21 Tagen erfolgte gleichlautende Abstimmung desselben Hauses
zum definitiven Beschlusse. Auch kann die Wiederaufnahme einer bereits durch Ab-
stimmung erledigten Sache dann nothwendig sein, wenn der Beschluß des einen
Hauses in Staaten des Zweikammersystems vom anderen Hause mit Abänderungs-
vorschlägen versehen und dem ersteren zurückgegeben wird. In Folge der Unwider-
ruflichkeit einer Abstimmung ist auch überall die wiederholte Einbringung eines be-
reits abgelehnten Antrags für die Dauer der Session untersagt.
Motivirung der Ablehnung von Regierungsvorlagen und sonstigen Anträgen ist
nur in einzelnen Ländern nothwendig. Doch wird vielfach die Form der motivirten
Tagesordnung dann angewandt, wenn die Kammer einen zur Berathung vorliegenden
Antrag unter Angabe von Gründen ablehnen will. Die Annahme eines Antrags
auf einfache Tagesordnung bedeutet dagegen die sofortige, unmotivirte Beseitigung
eines von der Kammer schlechthin verworfenen Antrags. Ueber Anträge und Vor-
lagen der Regierung bzw. des Bundesrathes kann das Haus nicht zur Tagesord-
nung übergehen.
Die Oeffentlichkeit der Landtagssitzungen, welche nur durch einen in geheimer
Sitzung gefaßten Beschluß des Haufes für die Berathung einer einzelnen Sache aus-