Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

Gewährleistung im Handelsrecht. 155 
Der Käufer muß die Waare sofort ohne Verzug untersuchen, und ent- 
bindet ihn hiervon nicht die Kenntniß des Verkäufers, daß die Waare gleich weiter 
versendet werden soll (Entsch. des ROCG. Bd. XXIV. S. 259). Auch genügt nicht 
eine blos oberflächliche Untersuchung (Entsch des RO„-„G. Bd. XIV. S. 288). 
Liegen die zu gewährenden Eigenschaften nicht in der äußeren, sondern in der 
inneren Beschaffenheit, frägt es sich z. B., ob das von einem Bäcker gekaufte Mehl 
sich zum Verbacken eignet, so muß der Bäcker das Verbacken unverzüglich vornehmen 
(Entsch. des RO#G. Bd. II. S. 234, 335; Bd. III. S. 247; Bd. IV. S. 132; 
Bd. VII. S. 318; Bd. VIII. S. 176). Ist aber nicht die bestellte, sondern eine 
andere Waare übersendet, so gilt dies als Nichterfüllung, deshalb findet dann Art. 
347 keine Anwendung, weil derselbe nur solche Mängel der Waare im Auge hat, 
welche ihrer Art nach dem Vertrage entspricht (Entsch des ROp-. Bd. XV. 
S. 371). Daher findet Art. 347 auf unechte Waaren keine Anwendung (CEntsch. 
des ROHG. Bd. XIV. S. 376; Bd. XIX. S. 403; Bd. XXV. S. 404). Hier- 
mit im Widerspruch steht indeß Entsch. Bd. XVIII. S. 239 (vgl. Busch, 
Archiv Bd. XXXV. S. 229). Auf bereits amortisirte Aktien findet Art. 347 
keine Anwendung (Entsch. des RO„-. Bd. XI. S. 46; Bd. XVI. S. 23). Auch 
unbestellte Waare, welche ein Kaufmann einem anderen Kaufmann nebst der 
Rechnung zusendet, muß der Empfänger bezahlen, wenn er sie nicht dem Absender 
alsbald zur Disposition stellt (Erk. des Ober. Appell. Ger. zu Dresden, Bd. I. S. 511; 
Busch, Archiv Bd. VII. S. 54; Bd. XVI. S. 230; Bd. XVII. S. 124). Das 
RN0OG. nimmt dagegen an, daß die Frage, ob stillschweigende Annahme des in 
der Zusendung unbestellter Waare liegenden Anerbietens, dieselbe zu kaufen, vor- 
liege, nur nach den Verhältnissen des einzelnen Falles zu entscheiden sei (Entsch. 
Bd. XVI. S. 132). Die schon vor der Ablieferung der Waare gemachte An- 
zeige der Mängel macht die Monitur nach der Ablieferung unnöthig (Entsch. des 
RO. Bd. XV. S. 270). Trotz des Verkaufs der Waare kann der Käufer die 
Mängel rügen (Entsch. Bd. XXII. S. 151). 
Nicht nur dem Verkäufer felbst, sondern auch seinem mit dem Abschluß 
von Verkäufen an einem dritten Orte Beauftragten können die Mängel angezeigt 
werden, wenn dieser das Geschäft abgeschlossen hat (Entsch. des ROPC- #G. Bd. Xll. 
S. 8; Bd. XIV. S. 155; Bd. XV. S. 272). 
Die Anzeige braucht zwar nicht eine genaue und skrupulöse Bezeichnung der 
Vertrags= oder Gesetzwidrigkeit der Waare zu enthalten, der Käufer muß aber sagen, 
daß er die Waare wegen bestimmter Mängel der Oualität beanstande (Entsch., des 
ROS. Bd. V. S. 261; Bd. VI. S. 165; Bd. VII. S. 41; Bd. X. S. 269; 
Bd. XIV. S. 66, 156 und 288). 
Keine Anwendung findet Art. 347: 1) Beim Viehhandel, weil Vieh 
kein Handelsgut ist (Goldschmidt, Zeitschrift, Bd. XXIV. S. 272; Entsch. 
des ROG. Bd. V. S. 320, entgegengesetzt Bd. XXV. S. 231). 2) Bei Ouantitäts- 
mängeln, weil sich Art. 347 nur auf die gesetz= und vertragsmäßige Beschaffenheit 
der Waare bezieht (Entsch. des ROS#G. Bd. II. S. 60; Bd. IV. S. 134; Bd 
XV. S. 302 und 413; Bd. XXIV. S. 404). 3) Wenn eine längere Frist zur Unter- 
suchung vereinbart ist (Entsch. des RO-G. Bd. IX. S. 12). 4) Beim Platz- 
geschäft (s. diesen Art.). 5) Wenn die Anfertigung einer Maschine bestellt worden, 
weil dann kein Kauf, sondern ein Vertrag über Handlungen vorliegt (Entsch. des 
RO. Bd. VI. S. 29; Bd. XI. S. 65 und 100). Ob das eine oder das andere 
vorliegt, ist nach den Landesgesetzen zu entscheiden (Entsch. Bd. XXIII. S. 88). 
Nach der Ansicht des ROG. darf der Richter die Rüge des Mangels 
von Amtswegen zurückweisen, wenn auch der Verkäufer die Versäumniß der An- 
zeige der Mängel nicht gerügt hat (Entsch. Bd. VI. S. 210; Bd. VII. S. 308; 
Bd. IX. S. 219; Bd. XXIII. S. 171). Entgegengesetzter Ansicht ist der oberste
	        
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