Gewerbegerichte. 167
der Konzession ist dann statthaft, wenn entweder die Unrichtigkeit der Nachweise
dargethan wird, oder wenn aus Handlungen resp. Unterlassungen des Gewerb—
treibenden der Mangel derjenigen Eigenschaften klar erhellt, die bei Ertheilung der
Konzession vorausgesetzt werden mußten, während die Aberkennung der bürgerlichen
Ehrenrechte nicht genügt; die Entziehung der polizeilich regulirten Gewerbebetriebe
unterliegt dem diskretionären Ermessen der Polizeibehörde. Die Entziehung des
Gewerbebetriebes erfolgt im Wege des Verwaltungsstreitverfahrens.
Lit.: Bgl. die Lit. bei dem Art. Gewerbeordnung. Außerdem: La liberté des
théätres (Revue des deux mondes 1878, Fevr.). — Herrfurth, Gesetze und Verordnungen,
betr. den Gast= und Schankwirthschaftsbetrieb, Berlin 1872. — Schmoller, Die öffentlichen
Leihhäuser (in v. Holtzendorff-Brentano's Jahrb. 1880, S. 105 ff.). — Cohn, Ueber die orts-
polizeilich regulirten Gewerbe (Behrend's Ztschr., Bd. VII. S. 12 ff.).
Ernst Meier.
Gewerbegerichte. Streitigkeiten zwischen selbständigen Gewerbetreibenden,
Arbeitgebern, auf der einen, und ihren Gesellen, Gehülfen, Lehrlingen, Fabriksarbeitern,
Arbeitnehmern, auf der anderen Seite, beziehen sich entweder auf bestehende Rechts-
und Vertragsverhältnisse (Rechtsstreitigkeiten), oder auf Regulirung künftiger Vertrags-
und Rechtsverhältnisse (Interessestreitigkeiten). Die Regulirung von Interessestreitig-
keiten erfolgt durch sog. Einigungsämter (ogl. diesen Art.). Zu den gewerb-
lichen Rechtsstreitigkeiten gehören alle diejenigen, welche sich auf den Antritt, die
Fortsetzung oder Aufhebung des Arbeits= oder Lehrverhältnisses, auf die gegenseitigen
Leistungen während der Dauer desselben und auf die Ertheilung oder den Inhalt
der Lehrlings= und Gesellenzeugnisse beziehen. Die G. sind demgemäß auch namentlich
kompetent bei Streitigkeiten in Bezug auf Schadenersatz wegen unberechtigter Auf-
hebung des Arbeitsverhältnisses (Erk. d. I. Sen. d. ROPS. v. 8. Dezbr. 1876).
Die Entscheidungen dieser G. können jedoch nur auf dem Wege der civilrechtlichen,
nicht aber auf dem der administrativen Exekution vollstreckt werden. Hinsichtlich
der Organisation und des Verfahrens dieser G. gilt Folgendes:
1) Die Preuß. Gesetzgebung: a) In der Rheinprovinz. Im Anschluß an alt-
französische Einrichtungen sind 1806 und 1807 G. unter dem Namen conseils de
prud'hommes in den hauptsächlichsten industriellen Plätzen errichtet, und von der
Preuß. Gesetzgebung beibehalten. Sie bestehen lediglich aus Fabrikanten, Werkmeistern
und selbständigen Handwerkern, aus letzteren nur, wenn sie zu einem gewissen Betrage
zur Klassensteuer eingeschätzt sind; sie werden von ihren Standesgenossen gewählt,
vertreten also nur den Standpunkt der Arbeitgeber. Die ganze Einrichtung
befindet sich in einem gewissen Widerspruche mit dem Grundsatz der Gleichheit vor
dem Gesetz und daß Niemand seinem ordentlichen Richter entzogen werden soll. Die
Kompetenz bezieht sich theils auf Civilstreitigkeiten, die aus dem gewerblichen Arbeits-
verhältniß entspringen, und zwar ohne Rücksicht auf die Höhe der Streitsummen;
theils auf geringere Strafsachen, Kontravention gegen die Gewerbepolizei, Ruhe-
störungen in den Werkstätten, Vergehungen der Lehrlinge gegen die Meister; die auf-
zuerlegenden Strafen können sich bis auf 3 Tage resp. 15 Frocs. belaufen.
Diese G. zerfallen in eine Vergleichskammer, bureau de conciliation, und G.
im engeren Sinne, bureau de jugement. Das Verfahren vor jenem muß dem vor
diesem immer vorhergehen. Die Entscheidungen sind endgültig bis zu 80 Mark
(100 Frcs.); darüber hinaus finden Appellationen an das Handelsgericht statt, die
nur dann Suspensiveffekt haben, wenn die summa appellabilis 300 Frcs. beträgt.
Nun bestehen diese Gerichte wieder nur aus Interessenten, den Notabeln der Kauf-
leute, von diesen selbst gewählt. Nur über Streitigkeiten bei der Exekution entscheiden
die ordentlichen Gerichte. Die meisten Prozesse werden übrigens in der Vergleichs-
instanz erledigt.
b) In Alt-Preußen. Ganz vereinzelt wurden seit 1815, theils für Berlin,
theils für die industriellen Bezirke Westfalens, sog. Fabrikgerichte angeordnet. Diese