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waren wesentlich nur Bagatellkommissionen der ordentlichen Gerichte. Die Gew. O.
von 1845 hielt diese besonderen Behörden, wo sie bestehen, aufrecht, übertrug aber
in Ermanglung solcher die Entscheidung entweder an die Innungsvorsteher unter
Vorsitz eines Mitglieds der Rommunalbehörden, wenn der selbständige Gewerbe-
treibende Mitglied einer Innung ist, oder an die Ortspolizeibehörde, wenn der Be-
treffende kein Mitglied einer Innung ist, vorbehaltlich der Beschreitung des Rechts-
weges binnen präklusivischer Frist. Die Verordn. v. 9. Febr. 1849 über die Er-
richtung von G. stellte die Bildung besonderer G. frei. Diese unterschieden sich von
den rheinischen dadurch, daß sie nicht blos aus der Klasse der Arbeitgeber, sondern
auch aus den Arbeitnehmern besetzt wurden, so, daß ein Mitglied mehr aus der
Klasse der Arbeitgeber gewählt wurde und,. einer von diesen den Vorsitz führen sollte.
Die Appellation sollte an die ordentlichen Gerichte gehen. Diese G. sind aber nur
ganz sporadisch eingerichtet und sämmtlich sehr bald auf den Wunsch der Betheiligten
wieder ausgehoben worden.
2) Die Deutsche Reichsgesetzgebung. Nach § 108 der RGew. O. entscheiden zu-
nächst die besonderen, für solche Angelegenheiten bestehenden Behörden, z. B. die prud'-
hommes in der Rheinprovinz. An Stelle solcher Behörden können jedoch durch
Ortsstatute Schiedsgerichte eingesetzt werden, die seitens der Kommunalbehörde zu
bilden sind unter gleichmäßiger Zuziehung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
Solche Ortsstatute bedürfen der Genehmigung der höheren Behörden. Diese Schieds-
gerichte sind also nicht obligatorisch, wo sie aber bestehen, haben sie definitive Ent-
scheidungen abzugeben, gegen die nicht die Berufung auf den Rechtsweg zulässig ist,
sondern die nur mit Rechtsmitteln der Nichtigkeit anzufechten sind. Endlich in sub-
sidio ist die Gemeindebehörde zunächst kompetent, aber nur vorbehaltlich der Be-
rufung auf den Rechtsweg, der jedoch binnen präklusivischer Frist beschritten
werden muß.
Der Entwurf zur Novelle von 1878 wollte den § 108 der Gew.O. ganz und
gar beseitigen und unter gänzlicher Aufhebung der Schiedsgerichte förmliche G. bilden,
welche aus einem Richter als Vorsitzendem und aus Beisitzern bestehen sollten, die
von der Gemeindevertretung aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu wählen gewesen
wären. Das Gesetz ist schließlich deshalb nicht zu Stande gekommen, weil man sich
über die Frage des Vorsitzes nicht zu einigen vermochte. .
Das R#. läßt in § 14 Nr. 4 G. ausdrücklich zu und das Preuß. As.
zur CPO. vom 24. März 1879 ordnet in § 10 das Verfahren vor den rheinischen
G. in allen Einzelheiten.
Lit.: Schriften des Vereins für Sozialpolitik (Gutachten u. Verhandlungen 1873). —
Dannenberg, Das Deutsche Handwerk und die soziale Frage, S. 22 ff. — v. Stein,
Handbuch der Verwaltungslehre, 1870 S. 348. — Eberty, Die G. und das gewerbliche
Schiedsgerichtswesen, 1869; Derselbe, Denkschr. über gewerbliche Schiedsgerichte. — v. Rönne,
Das Staatsrecht der Preuß. Monarchie, Bd. II. Abth. 1 (1871) S. 358 ff. — Bamberger,
Arbeiterfrage, S. 232 ff. — Ueber die conseils de prud'hommes: Jonas, Studien aus
dem Gebiete des Französ. Civ. R. und Civ Prz. R., Berlin 1870, S. 269 ff.
Ernst Meier.
Gewerbeordnung. 1) Das Gewerbewesen der älteren Zeit beruhte wesentlich
auf drei Momenten: Beschränkung des Gewerbebetriebes auf die Städte, Organisation
der Gewerbetreibenden in Zünften und Innungen, Theilnahme dieser am Stadt-
regimente (besonders auch Identität von Bürgern und Meistern). Diese mittel-
alterliche G. ist in Preußen auf einzelnen Punkten schon früh durchbrochen, indem
besonders die Edikte des Großen Kurfürsten v. 3. Nov. 1686, v. 7. Mai 1688 u.
v. 13. Juli 1688 die damals schon hervortretenden Mißbräuche zu beseitigen suchten
durch das Verbot zu theurer Meisterstücke, durch Verbot der völligen Geschlossenheit
der Zünfte und durch Begünstigung der fremden, besonders Französischen Einwanderer.
Auch der Unterschied von Stadt und Land begann bereits zu schwinden, denn unter