Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

Gewerkvereine. 179 
fertigung für die besondere Strafbarkeit des gewohnheitsmäßigen Verbrechens ergiebt 
sich daraus, daß der Verbrecher die Entstehung der Gewohnheit selbst verschuldet hat. 
Der Beweis, daß Jemand ein Verbrechen gewerbs= oder gewohnheitsmäßig be- 
gangen hat, muß für jeden einzelnen Fall erbracht werden, wenn auch die Ver- 
muthung dafür spricht, daß die nach Feststellung der beiden Begriffe begangenen 
Verbrechen ebenfalls gewerbs= oder gewohnheitsmäßig begangen sind. Während die 
Gewerbsmäßigkeit sich aus einer Handlung ergeben kann, erfordert die Gewohnheits- 
mäßigkeit unter allen Umständen eine Mehrheit von Handlungen. Dabei ist es für 
beide Begriffe gleichgültig, ob die Handlungen versucht oder vollendet, Handlungen 
des Thäters oder Theilnehmers sind. Es kann bei der Feststellung der beiden Be- 
griffe auf bereits rechtskräftig abgeurtheilte, verjährte, im Auslande begangene und 
dort straflose Handlungen Rücksicht genommen werden. Es verstößt dies nicht gegen 
den Grundsatz non bis in idem, denn es handelt sich nicht um eine Bestrafung 
bereits bestrafter oder verjährter oder strafloser Handlungen, sondern lediglich darum, 
ob der Verbrecher eine bestimmte Handlung gewerbs= oder gewohnheitsmäßig zu be- 
gehen pflegt. Ist Jemand wegen gewerbs= oder gewohnheitsmäßigen Verbrechens 
verurtheilt, so sind damit alle vor der Verurtheilung liegenden (strafbaren oder straf- 
losen) Handlungen, gleichviel ob sie der Richter gekannt hat oder nicht, erledigt. 
Die beiden Begehungsarten stehen sich hinsichtlich der Strafbarkeit vollständig 
gleich. Hälschner's Ansicht, die gewerbsmäßige Begehung als die höchste Stufe 
in der Strafbarkeit hinzustellen, dürfte den Verhältnissen nicht entsprechen und ist 
auch in den Straf GB. nicht anerkannt. 
Bei der Verjährung des gewerbs= und des gewohnheitsmäßigen Verbrechens ist 
zu unterscheiden, ob die beiden Begriffe als Thatbestands= oder als Oualifikations= 
momente erscheinen. Im ersteren Falle beginnt die Verjährung mit dem letzten das 
Verbrechen konstituirenden Thätigkeitsakt. Dasselbe gilt auch für den letzteren Fall; 
allein hier läuft außerdem eine Verjährungsfrist für jedes einzelne Verbrechen. Es 
verjährt daher, z. B. bei der Hehlerei, so lange das Oualifikationsmoment noch nicht 
festgestellt ist, jedes Verbrechen der Hehlerei für sich. Hierbei wird die Frage be- 
sonders praktisch, ob bei der Feststellung der beiden Begriffe auch verjährte Verbrechen 
benutzt werden können. 
Lit.: Wahlberg, Das Gewohnheitsverbrechen, in der allg. Oesterr. Gerichtsztg. 1859. 
Nr. 41, auch abgedruckt in dessen gesammelten Kleinen Schriften, Bd. 136 ff. — 
Hälschner, Preuß. Straf R., Bd. II. S. 417—430. — Dochow, Zur l. Sn dem g. u. 
g. V., 1871. — Olsha usen, Der Einfluß von Vorbestrafungen auf später zur Aburtheilung 
kommende Strafthaten, 1876, S. 126—142. — v. Buri im Gerichtssaal Bd. XXIX. S. 52 ff. — 
H. Meyer, Lehrb., § 76. — Wahlberg in Hein Ztschr. für das Privat= und öffentl. 
Recht der Gegenwart, Bd. V. (1878) S. 465—339. v. Lilienthal, Beiträge zur Lehre 
von den Kollektivdelikten, 1879. — v. Buri, Einheit und Mehrheit der Verbrechen, 1879, 
S. 55 ff. Dochow. 
Gewerkvereine. Man versteht unter G. im Allgemeinen Vereine von 
Arbeitern desselben Gewerks zum Zwecke gemeinsamen Handelns. (Arbeitergilden, 
Innungen der Zukunft, trades-unions.) 
Das gemeinsame Handeln besteht zunächst in gemeinsamer Regelung der Lohn- 
und Arbeitsbedingungen, in einer Solidarität der Forderungen. Daher sind diese 
Vereine in erster Linie allerdings Arbeitseinstellungsvereine, also Verbindungen für 
den sozialen Krieg. Das gemeinsame Handeln erstreckt sich aber auch auf gemein- 
same Hebung und Bildung des Arbeiterstandes; die G. sind also auch gleichzeitig 
Friedensvereine. Darauf bezieht sich zunächst das Unterstützungswesen für Krank- 
heiten, Invalidität, Begräbniß. Diese Hülfskassen der G. sind als wirkliche Hülfs- 
kassen im Sinne der Gew.O. anerkannt. Die G. bezwecken aber ferner die Ent- 
scheidung der gewerblichen Streitigkeiten durch Schiedsgerichte und Einigungsämter. 
Sie verfolgen außerdem auch Bildungszwecke; Beförderung der allgemeinen und ge- 
werblichen Bildung (Reisen, Wanderlehrer, Lehrlingswesen). Sie beziehen sich endlich 
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