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erstere nicht die gebührende Rücksicht auf die Gliederung der Familie nach Stämmen;
deshalb ist es noch niemals ausschließlich, sondern fast immer nur unter den Seiten-
verwandten, und zwar den entfernteren, durchgeführt worden. Andererfeits hat das
zweite System den Uebelstand, daß es wenigstens in den entfernteren Parentelen
durch das Einrücken der Abkömmlinge eine zersplitterung der Erbschaft in Minimal=
theile zur Folge hat. Deohalb ist es rein nur im Oesterreichischen B. durch-
geführt; dagegen im älteren Deutschen und im Gemeinen Lehnrecht gilt es zwar
wol ebenfalls, aber mit der sich an die G. anschließenden Modifikation, daß inner-
halb der nächsten Parentel der nähere Grad den entfernteren ausschließt (sog. Lineal=
gradualordnung). Das Röm. Recht hatte von Alters her zunächst Stammesfolge
der (agnatischen) Descendenten mit Repräsentationsrecht; eventuell aber G. der
(agnatischen) Seitenverwandten, indem in Ermangelung von sui der agnatus proximus
berufen wurde. Später wendete der Prätor die G. auch in seiner dritten Klasse
(unde cognati) an, zu welcher die Blutsverwandten bis zum siebenten Grade ge-
hörten. Endlich das Justin. Recht hat in der ersten Klasse wieder Stammesfolge
der (kognatischen) Descendenten mit Repräsentationsrecht, dann aber in der zweiten
ein wunderliches Gemisch von Gradual= und Stammesfolge, indem darin einestheils
alle Ascendenten nach Gradesnähe, anderntheils neben diesen die vollbürtigen Ge-
schwister, eventuell an Stelle hinweggefallener die Kinder von solchen (doch nur ersten
Grades!) berufen sind; ferner in der dritten Klasse Stammesfolge der halbbürtigen
Geschwister und ihrer Kinder ersten Grades, endlich in der vierten reine G. aller
übrigen Seitenverwandten. Dieses System, soweit es sich auf Descendenten und
Seitenverwandte bezieht, haben Manche mit Unrecht als sog. „reines Gradualsystem“
auch für das Lehnrecht festhalten wollen, Andere vertheidigen hierfür das sog. reine
Lincal-, die Meisten das Lineal-Gradual-System. Jedenfalls ist praktisch eine Kom-
bination beider Folgeordnungen, wie das letzterwähnte System sie darstellt, das allein
Angemessene. Das Preuß. Recht hat zunächst überwiegend Stammesfolge. Es ruft
1) Abkömmlinge; 2) Vater und Mutter; 3) vollbürtige Geschwister und deren Ab-
kömmlinge. Dann aber folgen halbbürtige Geschwister nebst Abkömmlingen und
alle entfernteren Ascendenten nach Gradesnähe, endlich die übrigen Verwandten nach
Gradesnähe. Eck.
Gram, Frederik Terkel Julius, 5 26. VIII. 1816 auf Laaland, 1844
Professor in Kopenhagen, J 3. VI. 1871.
Schriften: Den private Söret, 1851. — Den danske Formueret, I. (2) 1855, II.
1860—1864. — Den danske Familieret, 1868.
Lit.: Nordisk Conv. lex. (2), II. 411. — Erslew, Suppl. I. 582. — Gvos in der
Revue de droit international, XII. 426, 431. Teichmann.
Gratia aus Arezzo war 1219 Archidiakonus in Bologna.
Er schrieb: Ordo judiciarius (Zergmann, Pilli, Tancredi et Gratiae libri de
judic. ordine, Gott. 1842, p. 319—384).
Lit.: Savigny, V. 158—161. — Bethmann-Hollweg, VI. 131. — Schulte,
Geschichte, I. 197. Teichmann.
Grävell, Maximilian Karl Friedr. Wilhelm, 5 28. VIII. 1781 zu
Belgard, wurde 1818 von seiner Justitiarstelle in Merseburg suspendirt, wegen ge-
brochener Amtsverschwiegenheit und grober Beleidigung der Staatsminister v. Bülow,
v. Schuckmann und v. Kircheisen bestraft, zog sich zurück und trat 1834 in den
Ruhestand, Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung, Fzu Dresden 29. IX.
1860. Verdient durch seine dem Preußischen Rechte gewidmeten
Schriften: Handb. f. prakt. Juristen, 1812—19. — Komment. zu den Kreditgesetzen des
Preuß. Staates, 1812, 1832. — System. Entwickl. d. Theorie e. hypoth. Protest., 1815.—
Die Lehre vom Besitz und von der Verjährung, 1816. — Generaltheorie d. Verträge, 1821.—
ehre v.Nießbrauch, Miethe u. Pacht, 1820. — Prakt. Komment. z. Allgem. Gerichtsordn.,
50—81.
Lit.:: Mohl, II. 247, 349. — Teichmann in d. Allg. Deutsch. Biogr. IX. 613—615.
Teichmann.