Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

Gefährdeeid. 17 
Absender bei der Wahl keine Schuld zur Last zu legen ist. Dies gilt: bei der Be— 
willigung und Vollziehung des besonderen kaufmännischen Pfandverkaufs, beim Ver— 
kauf der Waare wegen Abnahme= oder Zahlungsverzugs des Käufers, bei dem Ver- 
kauf nicht vertragsmäßiger oder gesetzmäßiger Waare, die dem Verderben ausgesetzt 
ist, seitens des Käufers, bei geschehenem Verkauf durch den Verkäufer im Falle des 
Fixgeschäfts wegen Verzugs des Käufers, beim Verkauf der Entwerthung ausgesetzten 
oder in äußerlich beschädigtem Zustande eingegangenen Gutes seitens des Kom- 
missionärs oder Spediteurs; endlich hat der Käufer bei Beanstandung von auswärts 
her ihm zugesendeter Waare nur die Mängelanzeige aufzugeben; die außerdem an- 
zunehmende Billigung derselben wird dadurch ausgeschlossen, mag die Anzeige bei dem 
Verkäufer eintreffen oder nicht. Der Beweis der richtigen Aufgabe ist natürlich von 
dem Absender zu erbringen. " « 
Von „Gefahr im Verzuge“ mit der Wirkung, daß von bestehenden Prä— 
ceptivbestimmungen Ausnahmen eintreten, spricht das HGB. in nachstehenden Fällen: 
Bei G. im Verzuge kann auch Einer von mehreren Gesellschaftern, die eigentlich 
nur gemeinschaftlich handeln könnten, Geschäfte vornehmen, ist auch ein einzelner ge— 
schäftsführender oder überhaupt ein einzelner Gesellschafter zur Bestellung eines Pro- 
kuristen berechtigt, darf die dem Verderben ausgesetzte Waare und zwar vom Ver- 
käufer bei Annahmeverweigerung oder Zahlungsverzug des Käufers, von Letzterem 
bei Beanstandung der Oualität verkauft werden, und endlich dürfen Spediteure und 
Kommissionäre sowol bei Ablieferung in äußerlich erkennbar beschädigtem oder mangel- 
haftem Zustand, als auch beim Eintritt von Veränderungen, die eine Entwerthung 
befürchten lassen, das Gut in der in Art. 343 vorgeschriebenen Weise verkaufen. 
Das Vorhandensein dieser Voraussetzungen ist Sache des einzelnen Falles. 
Esgb. u. Lit.: H#. Art. 1, 277, 324, 325, 345, 347 ff., 357, 363 ff., 386, 395 ff,, 
423 ff. — Betriebsreglement für die Eisenbahnen Deutschlands v. 11. Mai 1874 (Centralbl. 
für das Deutsche Reich, II. Jahrg. Nr. 21).— Die Kommentare zum HGB. von Makower, 
v. Hahn, Anschütz und v. Völderndorff. — Thöl, H.R., 6. Aufl. 1879, Bd. I. 
S. 845. — Windscheid, Pand., §§ 264, 389 ff. — Preuß. M. Th. I. Tit. 5 88 364 ff., 
Th. I. Tit. 11 88 95 u. 100. — Code civil. art. 1138, 1148, 1624. — Sächf. BGB. g8 126, 
866 ff., 1091. Seelig. 
Gefährdeeid ist die auf den Eid gestellte Versicherung einer Partei, daß sie 
ihrer Angriffs= oder Vertheidigungsmittel im Prozeß nicht chikanös („non calumniae 
causa“: jur. calumniae, „nicht aus Gefährde": G.E.), sondern in gutem Glauben sich 
bedienen wolle. 
Im G. findet der Eid eine selbständige Anwendung im Prozeß neben den Be- 
weiseiden (s. d. Art. Eid), von welchen der G. sich dadurch unterscheidet, daß sein 
Eidesthema stets nur auf den animus des Schwörenden, nicht auf die objektive 
Wahrheit relevanter Streitpunkte sich bezieht, daher auch seine Leistung keinen un- 
mittelbaren Einfluß auf die Sache übt, vielmehr lediglich die Zulassung derjenigen 
prozessualen Thätigkeit bedingt, auf welche er sich bezieht. Jedoch äußert der G. 
die Wirkung eines Beweiseides allerdings in seiner Funktion als Mittel der Glaub- 
haftmachung ((s. diesen Art.) 
Die Kalumnieneide haben im Röm. R. eine weitgehende Anwendung gefunden. 
Schon in der lex Galliae Cisalpinae finden sie sich erwähnt (Zruns, fontes, p. 87); 
im Corpus juris begegnen sie in vielfachem Gebrauch (Goldschmidt, S. 31 ff.); 
und den generellen Kalumnieneid hat Justinian sogar zu einem essentiale processus 
erhoben (1. 2 C. h. t.) Das Kanonische R. gesellte den römisch-rechtlichen Anwen- 
dungsfällen noch einige weitere hinzu und erweiterte die Formel des j. c. zu der 
Gestalt, wie sie die Glosse ad c. 1 X. h. t. uns in Versen aufbewahrt hat (Gold- 
schmidt, S. 38, N. 4). « 
Aus den fremden Rechten ging das j. c. in wörtlicher Uebersetzung der 
Formel in die Deutschen Reichsgesetze über. Es hat jedoch Zummermann nachge- 
v. Holtzendorff, Enc. II. Rechtslexikon II. 3. Aufl. 2
	        
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