210 Grundsteuer.
durch feierliche Zusagungen der Landesherren beim Erwerb neuer Gebietstheile er—
schwert wurde, so sehr schon die staatsrechtliche und staatswirthschaftliche Lehre des
18. Jahrh. einer Steuerausgleichung das Wort redete.
Verhältnißmäßig früh hat in Oesterreich die Theresianische und Josefinische
Gesetzgebung eine gleichmäßigere Heranziehung des Grundbesitzes zur Staatssteuerlast
ohne Rücksicht auf historische Privilegien durchgeführt, wenn auch mit provinziellen
Ungleichheiten. Noch heute ragt Oesterreich mit einem verhältnißmäßig hohen
Steuersatz des Grundeigenthums hervor. Viele der zum Rheinbund gehörigen Staaten
sind im 19. Jahrh. theils unter dem Einfluß Französischer Herrschaft, theils selbst—
ständig in gleicher Richtung vorgegangen.
Verhältnißmäßig zurückgeblieben erschienen dagegen die Grundsteuerverhältnisse
Preußens, obgleich der Große Kurfürst und Friedrich Wilhelm I. wirksame Aus-
gleichungen vorgenommen hatten. Die zusammengesetzte Gestalt der Monarchie er-
klärt es, daß sich nach der Rekonstruirung des Reichs (1815) eine lange Reihe
widersprechender Systeme in Stadt und Land, in den mittleren und östlichen Pro-
vinzen 16 Hauptkategorien von G., im Ganzen über 100 besondere Grundsteuerarten
vorfanden. Die Zusicherung der Ausgleichung und Aufhebung der Steuerprivilegien
in den Edikten vom 27. Okt. 1810 und 7. Sept. 1811 war unausgeführt geblieben.
Nach endlosem Streit und mit Bewilligung ansehnlicher Entschädigungen sind endlich
die drei Gesetze vom 21. Mai 1861 zu Stande gebracht, durch welche eine für den
Staat gleichmäßige Grund= und Gebäudesteuer (vielfach unter Benutzung des Musters
der Franz. Gesetzgebung) zu Stande gebracht ist. Seit 1866 ist durch besondere
Gesetze eine gleichmäßige Gestaltung der Grundsteuerlast in den neu erworbenen
Provinzen hinzugekommen, in denen die frühere Gesetzgebung den Boden dafür schon
bereitet hatte.
Die durchgreifende Gleichmäßigkeit dieser neu geordneten G. war erforderlich,
um die historisch zufälligen Ungleichheiten und grundlos gewordenen Steuerbefreiungen
zu beseitigen. Durch die immer wieder eintretende Fixirung der Grundsteuersätze im
Einzelnen war ihre Steuernatur degenerirt, und der Schein einer Reallast entstanden.
Die volkswirthschaftlichen Doktrinen waren dadurch verleitet worden, den Steuer-
charakter dieser Lasten überhaupt zu bestreiten. Jede längere Fortdauer dieser Zu-
stände machte ihre Korrektur schwieriger und für den zeitigen Besitzer verletzender.
Der Staatsverband ergreift unmittelbar die Person des Unterthanen und erst durch
Vermittlung der Person das Vermögen. Nach richtiger Auffassung der Steuerpflicht
als absoluter Verpflichtung des Staatsangehörigen von wegen seines Besitzes ist des-
halb die Berechtigung des Staats auch zur G. unbestreitbar. Da der Staat dies
Recht auch als Regel in allen Landestheilen bereits ausübte, so wurde es nothwendig,
die einzelnen Landestheile und die einzelnen Besitzweisen in verhältnißmäßiger
Gleichheit heranzuziehen. Die Folge des Zusammenwachsens des Staats aus Land-
schaftsverbänden ist nun allerdings eine verhältnißmäßig starke Heranziehung der
Boden= und Hausrente zu dem Gesammtbedürfniß des Staats, welche in ihrer
heutigen Gestalt vielleicht nur einen Uebergangszustand bildet. Der natürliche Beruf
des Grundbesitzes als dauernde Grundlage des Nachbarverbandes verweist vielmehr
die Gemeinde-, Kreis= und Provinzialbedürfnisse vorzugsweise auf Grundsteuern. Trotz
alles Streits der Steuerinteressen hat sich eine vorzugsweise Betheiligung des Grund-
besitzes an den Kommunallasten in den meisten Theilen Europa's erhalten, zum
Theil neu gebildet. Von einer anderen Seite aus führt das berechtigte Bestreben
nach einer Dezentralisation der Staatsverwaltung zur Uebernahme erheblicher Staats-
lasten auf Provinzial= und Kreisfonds. Die angemessene Kompensation dafür wird
die Uebereignung eines entsprechenden Theils der Staatsgrund= und Gebäudesteuer
sein, auch wol das Endziel einer völligen Uebereignung an die Kommunalverbände.
Bei einer weitergehenden Reform unseres Steuerwesens wird der Gesichtspunkt, die
Personalsteuern vorzugsweise dem Staat, die Realsteuern vorzugsweise den Pro-