Gründungsprospekt. 213
träge bei vorkommender Ueberzeichnung. Bei solcher Rechtslage ist auch hier ein
durch den Inhalt des G. erregter Irrthum nur zwischen Zeichnern und Projektanten,
nicht auch zwischen den ersteren und der Gesellschaft wirksam. Der Projektant hat,
wenn eine Täuschung des Zeichners vorliegt, den Zeichnungsschein des letzteren zu
Unrecht bei der Gründung mit verwendet; dadurch wird aber nicht die Gesellschaft
selbst alterirt, sondern es erscheint nur der Projektant zur gänzlichen Schadloshaltung
des Zeichners verpflichtet. Die rechtliche Wirkung von Täuschungen, welche durch
den Inhalt der G. hervorgerufen werden können, ist anläßlich der in den Jahren
1870 bis 1872 in Deutschland stattgehabten Neugründungen von Aktiengesellschaften
vielfach praktisch erörtert worden. Die bezüglichen Streitfragen entsprangen zumeist
dem Gegensatz, in welchem sehr häufig das nominale Vermögen der Aktiengefellschaft
zu dem Effektivvermögen steht. Das erstere lautet immer auf eine baare Geldsumme.
Jedes Grundkapital gilt im Gesetz als Baarkapital; alle Aktien lauten deshalb auf
baare Beträge, die sog. Nominalbeträge. Dagegen sind nach dem Effektivvermögen
an den Aktiengesellschaften drei Klassen zu unterscheiden: die eine, deren Vermögen
wirklich ausschließlich baares Geld ausmacht, in der Theorie die reine Geldgesellschaft
genannt; eine zweite, die zwar von Anfang an ausschließlich baares Geld besitzt,
dieses aber nach statutarischer Vorschrift zu einem bestimmten Zwecke verwenden muß,
so daß es sich für alle Zeiten in ein anderes Vermögensobjekt verwandelt, und
drittens jene auf Grund des Art. 209b des H##. geschaffenen Gesellschaften, welche
mittels Inferirung von Anlagen oder anderen Vermögensstücken gebildet werden, so
daß an Stelle eines erheblichen Theiles des Grundkapitals gleich von Anfang gewisse
nicht vertretbare Sachen vorhanden sind. Schon bei der zweiten, noch viel ausgeprägter
aber bei der dritten Klasse steht der wahre Vermögensbestand fast immer in Wider-
spruch mit dem nominalen Aktienkapital. Und gerade mit Hülfe jenes Art. 209 b wurden
überaus zahlreiche Aktiengesellschaften gebildet, deren Aktien unter Erlaß prahlerischer
G. an den Markt gebracht und dem Publikum angeboten wurden. Um die Höhe
des durch die Emission erstrebten Gewinns zu verbergen, unterließen die Gründer in
diesen Prospekten regelmäßig die Angabe des Selbstkostenpreises der von ihnen in-
ferirten Anlagen; sie meinten dem Gesetz Genüge zu thun, wenn sie nach Anleitung
des Art. 209b die Zahl der gegen die Inferirung gewährten Aktien, resp. den In-
ferirungspreis mittheilten. In einzelnen Fällen war allerdings die Fassung der
Prospekte auch darauf angelegt, bei dem Publikum den Glauben zu erregen, als sei
der Inferirungspreis von dem eigenen Erwerbspreise gar nicht verschieden. Die
später eingetretenen bedeutenden Kursrückgänge und die den leichtsinnigen Kapitalisten
erwachsenen Verluste reizten die letzteren zur Aufsuchung von Schutzmitteln, und
regten vielfach die der richterlichen Entscheidung unterbreitete Frage an, ob die
Gründer von Aktiengesellschaften mit Apports zur Verschweigung ihres Gründer-
gewinns, also der Differenz zwischen dem eigenen Erwerbspreise der inferirten Ob-
jekte und dem von ihnen selbst willkürlich normirten Inferirungspreise befugt ge-
wesen seien. Die Rechtsprechung hat bei dem Inhalte des geltenden Rechtes eine
Verpflichtung der Gründer zur vollständigen Darlegung aller Verhältnisse, insbeson-
dere einer Verpflichtung zur Mittheilung des von ihnen angestrebten Gewinnes nicht
festgestellt. Vielmehr ist nur immer der einzelne angefochtene Prospekt darauf
hin geprüft worden, ob und inwieweit sein Inhalt geeignet gewesen sei, bei dem
Zeichner über den Gegenstand des Aktienunternehmens resp. über das Vermögen der
neuen Gesellschaft einen nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen den bezüglichen Zeich-
nungsvertrag entkräftenden Irrthum zu erregen. (Vgl. Entsch, d. ROpG. Bd. XVIII.
S. 180 ff.; Bd. XX. S. 248 ff.; Bd. XXII. S. 252 ff. und S. 391 ff.)
Es ist indeß nicht zu leugnen, daß der Inhalt des geltenden Rechts durch das
Zusammenwirken jenes oben erwähnten Gegensatzes zwischen nominalem und effek-
tivem Grundvermögen mit den sonstigen über die Inferirung von Vermögensstücken
geltenden Vorschriften einer beabsichtigten Täuschung der Zeichner leicht Vorschub zu