Gütergemeinschaft. 219
sichtspunkte dabei in Frage kommen, welche übrigens die Anhänger der anderen
Theorien ebenfalls mit heranziehen müssen. Die Gütergemeinschaft tritt — möge
sie durch Gesetz oder Provinzialstatuten als das regelmäßige eheliche Güterrecht auf-
gestellt oder vertragsmäßig vor der Ehe unter den künftigen Gatten verabredet
sein — für die Regel mit dem Zeitpunkt der rechtsgültigen Abschließung der Ehe
(nach älteren Statuten mitunter erst nach Jahr und Tag oder erst von der Geburt
eines Kindes an) ohne Weiteres von selbst ein. Mit diesem Moment fallen alle
den Ehegatten eigenthümlich gehörigen Sachen (also z. B. nicht die Substanz der
Lehen und der Familienfideikommisse) in eine Masse zusammen, an der ein Eigen-
thum der Ehegatten zu bestimmten, gewöhnlich gleichen Quoten entsteht. Der Er-
werb des betreffenden Antheils vollzieht sich für jeden Gatten, ohne daß es eines
besonderen rechtlichen Uebertragungsaktes bedürfte, lediglich durch die Eheeingehung.
Ebenso werden die sonstigen, namentlich die Forderungsrechte gemeinschaftlich. Wegen
der vorehelichen Schulden des einen oder anderen Ehegatten können sich die Gläubiger
eines jeden derselben an das gemeinschaftliche Vermögen halten, ob auch an die
Person des nicht ursprünglich verhafteten Ehegatten, ist unter den Lehrern des Deut-
schen Privatrechts streitig. Während so die Gatten in Bezug auf das gesammte
Ehevermögen in einer Rechtsgemeinschaft zu ideellen Theilen stehen, ist die Möglich-
keit der Aufhebung derselben durch die actio communi dividundo auf eine bestimmte
Zeit, d. h. auf die Dauer der Ehe — was dem Wesen der communio nicht widerspricht,
andererseits aber durch die Natur der Ehe bedingt wird — ausgeschlossen. Das in
der Mitberechtigung der Frau liegende Verwaltungs= und Verfügungsrecht hin-
sichtlich ihrer Ouote wird ferner durch die Stellung des Mannes als des Hauptes
und des Vertreters der ehelichen Genossenschaft suspendirt. Der Mann hat die
Administration des gemeinschaftlichen Vermögens und ist auch zur Veräußerung der
zu demselben gehörigen einzelnen Gegenstände berechtigt. Nur hinsichtlich der Immo-
bilien bedarf es — nach vielen partikularrechtlichen Bestimmungen, in Betreff des
Gem. R. herrscht Streit — der Zustimmung der Ehefrau; d. h. die Dispositions-
befugniß des Ehemannes ist hier für seinen ideellen Antheil durch die Rechte seiner
Frau eingeschränkt und für den Theil der letzteren ihr aus ihrem Miteigenthum
fließendes Verfügungsrecht nicht fuspendirt. Vollkommen frei ist dagegen der Mann
hinsichtlich der Begründung von Verbindlichkeiten während der Ehe. Für diese
haftet jedenfalls seine Person, sowie das gemeinschaftliche Vermögen; für die Regel
wird auch eine persönliche Verbindlichkeit der Frau für dergleichen Schulden ange-
nommen, ihr dann aber die Möglichkeit gegeben, sich gleich nach Auflösung der Ehe
feierlich von jedem Recht am Gesammtvermögen (durch das sog. beneficium abdica-
tionis) loszusagen und so sich der persönlichen Haftbarkeit den Gläubigern des
Mannes gegenüber zu entledigen. Die Frau macht sich dagegen, soweit nicht etwa
in Folge des noch bestehenden Mundiums ihre Handlungsfähigkeit gemindert ist,
durch ihre Handlungen nur selbst, nicht die gemeinschaftliche Masse verbindlich; aus-
nahmsweise haftet aber diese letztere und der Mann, soweit die Frau innerhalb ihrer
Schlüsselgewalt oder kraft eines sonstigen besonderen, diesen verpflichtenden Rechts-
grundes Geschäfte abgeschlossen hat. Ob für Delikte aus dem gemeinschaftlichen
Vermögen Schadensersatz geleistet werden muß, ist streitig. Endlich wird alles das,
was die Eheleute während der Ehe erwerben, unter ihnen gemeinsam. Bei der Auf-
lösung der Ehe fällt dagegen die durch die Ehe hervorgebrachte, die Frau beschrän-
kende Gebundenheit ihres Gemeinschaftsrechtes fort und die ideellen Antheile müssen
nun ebenso, wie bei jeder andern communio in reelle Antheile verwandelt werden,
sofern nicht etwa Mangels vorhandener Kinder der überlebende Ehegatte ein Recht
auf die Gesammtmasse hat oder mit den Kindern die Gütergemeinschaft fortgesetzt
wird. Oft hat auch bei der Trennung der Ehe durch den Tod der Ueberlebende
neben seinem Rechte am gemeinschaftlichen Vermögen noch einen Erbanspruch auf
eine gewisse Quote des für den Verstorbenen als Nachlaß ermittelten Antheils. —