Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

240 Handelsgebräuche — Handelsgerichte. 
Person oder durch Prokuristen und Handelsbevollmächtigte betreiben, sowie Frauen- 
simmer, welche als Handelsgesellschafterinnen betheiligt sind, können sich im Betreff 
ihrer Handelsgeschäfte auf die in den einzelnen Staaten geltenden Rechtswohlthaten 
nicht berufen; hier kommen namentlich in Betracht die Befreiung vom Personal= 
arrest, welcher als Exekutionsmittel durch das Ges. des Nordd. Bundes vom 28. Mai 
1868 überhaupt aufgehoben ist (Deutsche CPO. § 783 ff.) und die Bestimmungen 
über die Intercessionen der Frauen, welche durch 1zs Ges. vom 1. Dezbr. 1869 auch 
in Preußen und seitdem sonst im gesammten übrigen Deutschland beseitigt sind. 
Jede Beschränkung der Rechtsfähigkeit ist für die H. aufgehoben, sie kann in Han- 
delssachen selbständig vor Gericht auftreten und sich gültig verpflichten. Sie haftet 
für die Handelsschulden mit ihrem ganzen Vermögen, ohne Rücksicht auf die Ver- 
waltungsrechte und den Nießbrauch, oder die sonstigen an diesem Vermögen durch 
die Ehe begründeten Rechte des Ehemannes. Soweit Gütergemeinschaft besteht, 
haftet auch das gemeinschaftliche Vermögen; ob zugleich der Ehemann mit seinem 
persönlichen Vermögen haftet, ist nach den Landesgesetzen zu beurtheilen (H##. 
Art 8). Nach § 337 Tit. 1 Th. II. Preuß. R. haftet der Ehemann (Entsch. d. 
OPG. XXIV. 360); der § 1678 des Bo. für das Königreich Sachsen schließt 
8 Haftung aus. Ausgeschlossen sind die Handelsfrauen vom Börsenbesuch (Revi— 
dirtes Statut der Korporation der Kaufmannschaft in Berlin vom 26. Febr. 1870, 
Art. 6), überwiegend auch vom Besuch der Generalversammlungen der Aktiengesell- 
schaften, sie müssen sich hier vertreten lassen. Die Gewerbeordnung für das Deutsche 
Reich vom 21. Juni 1869 hat im § 11 nicht die Einwilligung des Ehemannes 
erfordert, wie Art. 7 zum HGB. für die H. Keineswegs ist hiermit eherechtlich die 
Zustimmung des Ehemannes beseitigt; dagegen ist zur Sicherung des öffentlichen 
Verkehrs dem Dritten gegenüber jeder Einwand aus einer nicht ertheilten Genehmi- 
gung gesetzlich ausgeschlossen. Die Thatsache des Gewerbebetriebes durch eine Ehe- 
frau macht diese verfügungsberechtigt. Auch für die H. wird die Gesetzgebung diesen 
Weg einzuschlagen haben. 
Lit.: Brinckmann, H.R., § 18. — Endemann, H. R., § 23. 3 Beselert. #dizutsches 
Priv. R., § 217. — Ullmann in Grünhut's Zicchr für riv. R. und öffentl. R., — 
Die Kommentare zum HGB. von v. Hahn, Anschütz und Poldeindoaff. t 
Keyßner zu Art. 6—9. — Zachariä (Puchelh), Franz. Civ.R., 6. Aufl., 
242. — Mandry, Der civilrechtliche Inhalt der Reichsgesetze, S. 25 ff. — Entsch. "E6 Me 
B-d. XXIII. S. 401. — Boistel, Droit commerc., p. 66 ss. — Lyon-Caen et Renault, 
Droit commerc., p. 89 ss. —Vidari, Corso di diritto Ccommerciale, I. p. 14I, 184—202. — 
Marghieri, Diritto commerciale (Napoli 1879), p. 17. — J. W. Smith, Mercantile law, 
9th ed. Tondon 1877), p. 17. Keyßner. 
Handelsgebräuche, s. Usance. 
Handelsgerichte. A. Geschichte. Der Ursprung der H. liegt im Mittel- 
alter. Den Römern sind derartige Spezialgerichte fremd geblieben, weil es bei ihnen 
nur ein allgemeines Verkehrsrecht gab, innerhalb dessen die aus dem Handels- 
verkehr hervorgehenden Rechtsverhältnisse keine Sonderstellung einnahmen. Im Mittel- 
alter war dagegen das Handelsrecht ein Spezialrecht und zwar zunächst in dem sub- 
jektiven Sinne eines Standesrechts für den korporativ abgeschlossenen Handelsstand. 
Die H. waren auf diesem Standpunkt wesentlich Gildengerichte, deren Aufgabe darin 
bestand, die Privilegien ihres Standes zu handhaben und Streitigkeiten unter den 
Genossen zu schlichten. Demnächst bildeten sich in der curia mercatorum auch 
eigenthümliche Rechtssätze für die Beurtheilung der Rechtsgeschäfte und ein beson- 
deres Verfahren aus. Dem in die Gerichtshöfe eindringenden Röm. und Kan. R. 
gegenüber empfand der Handelsstand aus verschiedenen Gründen das Bedürfniß, diese 
Besonderheiten in seinen eigenen Gerichten zur Geltung zu bringen. Die Vorzüge 
des Röm. R. waren zur Zeit der Rezeption durch die spitzfindige, dem Leben ent- 
fremdete Scholastik der Kommentatoren großentheils verhüllt; dazu lasteten die 
Kanonischen Zinsverbote gleich einer lähmenden Fessel auf dem Verkehr. Es kam
	        
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