Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

250 Handelsgesellschaft. 
Die Einzelerörterung wird die Richtigkeit des aufgestellten Prinzips ergeben: 
I. Die offene H. entsteht durch Vertrag, zu dessen Gültigkeit es nicht der 
schriftlichen Abfassung oder anderer Förmlichkeiten bedarf (Art. 85, Abs. 2). Bei 
Vermeidung von Ordunngsstrafen sind die Errichtung einer offenen H., sowie be- 
stimmte für das Publikum erhebliche Thatsachen beim Handelsgericht behufs Ein- 
tragung in das Handeleregister anzumelden (Art. 86—89). — Die Französische, 
Holländische, Englische, Spanische Gesetzgebung verlangen als Regel die Errichtung 
drch eine Urkunde, wenn auch nur durch eine Privaturkunde. Während jedoch das 
Frangös. und Engl. Recht die Schriftform nur als Beweismittel verlangen, erfordert 
das Belgische Gesetz vom 18. Mai 1873, Art. 4, die Schriftlichkeit bei Vermeidung 
der Nichtigkeit; das Frangös. Recht verlangt ebenfalls à peine de nullité, die indessen 
Dritten nicht schaden soll, die Anmeldung der Errichtung beim Handelsgericht (art. 42 
Code de commerce:; Gesetz vom 24. Juli 1867 Art. 56, 57). — Im Verhältniß zu 
dritten Personen tritt die rechtliche Wirksamkeit der offenen H. spätestens mit dem Zeitpunkt 
ein, in welchem die Errichtung der Gesellschaft im Handelsregister eingetragen ist, so 
daß die Festsetzung eines späteren Anfangstermins Dritten gegenüber ohne Wirkung 
bleibt (Art. 110). Es genügt indessen, daß mit dem Willen aller Gesellschafter 
die Gesellschaftsgeschäfte begonnen worden sind. Nur solche Handlungen sind zum 
Beginn geeignet, in denen sich der Wille der Gesellschafter kundgiebt, eben als Ge- 
sellschafter handeln und Geschäfte machen zu wollen (Entsch. des ROS#. Bd. I. 
S. 259; Bd. VII. S. 430). Vorher vorgenommene vertragswidrige Akte des Ein- 
zelnen präjudiziren der Gesellschaft als solcher nicht (Entsch. des RO„#. Bd. XlII. 
S. 409). 
II. Die Rechtsverhältnisse der Gesellschafter unter einander unterliegen (mit 
Ausnahme der Bestimmung des Art. 105 Abs. 2) unbeschränkt der freien Verein- 
barung der einzelnen Gesellschafter, so daß die Vorschriften der Art. 91—109 des 
HGB. als dispositive nur ergänzend zur Anwendung kommen. Im Einzelnen gelten 
jolgende Bestimmungen: 
1) Jeder Gesellschafter ist verpflichtet zu Gesellschaftszwecken eine Einlage zu 
machen, welche in Kapital, Arbeit, Geschäftsverbindungen, Kredit, Kundschaft rc. be- 
stehen kann (cf. art. 1833 Code civil). Für die Frage, ob nach dem Willen der 
Gesellschafter die eingebrachten Sachen in das Eigenthum der Gesellschaft übergehen 
oder ob sie nur zum Gebrauch der Gesellschaft bestimmt sind, stellt der Art. 91 zwei 
Interpretativsätze auf. Am Schluß eines jeden Geschäftsjahres wird auf Grund des 
Inventars und der Bilanz der Gewinn und Verlust in der Art berechnet, daß zu- 
nächst den Kapital einschießenden Gesellschaftern 4 Prozent Zinsen gutgeschrieben 
werden, alsdann die Summe der Zinsen von der Summe des Gewinnes abgezogen 
wird und diese Differenz durch die Kopfzahl der Gesellschafter dividirt, den einzelnen 
kreditirt wird. Zinsen und Gewinn vermehren alsdann das durch die Einlage ge- 
bildete Fundament des Gesellschaftsvermögens resp. der einzelnen Gesellschaftsantheile, 
welche nach diesem Maßstabe im neuen Geschäftsjahr zu verzinsen sind (Art. 106, 
107). Der einzelne Gesellschafter ist nicht verpflichtet, die Einlage über den ver- 
tragsmäßigen Betrag zu erhöhen oder die durch Verlust geminderte Einlage zu 
ergänzen (Art. 92). Ebensowenig ist er aber berechtigt, ohne Einwilligung 
der übrigen seine Einlage oder seinen Antheil am Gesellschaftsvermögen zu ver- 
mindern, nur die Zinsen seines Gesellschaftsantheils für das letztverflossene Jahr 
und soweit es nicht zum offenbaren Nachtheil der Gesellschaft gereicht, auch den auf 
ihn entfallenen Gewinn des letzten Jahres darf er entnehmen. Nach Französ. R. 
(art. 1853 Code civil) wird Gewinn und Verlust lediglich nach Verhältniß der 
Einlagen der einzelnen Gesellschafter berechnet, und zwar wird der nur Arbeit ein- 
bringende Gesellschafter dem am wenigsten beisteuernden gleichgestellt. 
2) Die Geschäftsführung, die in faktischer und rechtlicher Thätigkeit bestehen 
kann, ist im Zweifel Recht und Pflicht eines jeden Gesellschafters (Art. 102 des HGB.).
	        
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