Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

Handelsgesellschaft. 253 
subsidiäre Haftung im Konkurs der Gesellschaft vgl. oben). Nach Französ. R. kann 
der einzelne Gesellschafter erst nach Belangung der Gesellschaft verklagt werden (be- 
stritten insbesondere von Bravard, I. S. 210). Die vielfach behandelte Streit- 
frage, ob ein gegen eine offene H. unter deren Firma ergangenes Endurtheil in das 
Privatvermögen der einzelnen Gesellschafter vollstreckt werden kann, ist vom RO. 
(Entsch., Bd. XX. S. 180; Bd. VI. S. 416) verneint worden. (Anderer Meinung 
v. Hahn, Römer, Keyßner.) 
4) Die Gesellschaft kann unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlich- 
keiten eingehen, Eigenthum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, 
vor Gericht klagen und beklagt werden (Art. 111, Abs. 1). Die Bedeutung dieser 
Sätze liegt vor Allem darin, daß unter der Gesellschaftsfirma die Gesammtheit der 
einzelnen Gesellschafter in ihren gesellschaftlichen Beziehungen zusammengefaßt wird, 
ohne daß dadurch der offenen H. der Charakter eines selbständigen Rechtssubjekts 
ausgeprägt wurde. — Der ordentliche Gerichtsstand der Gesellschaft ist bei dem Ge- 
richt begründet, in dessen Bezirk sie ihren Sitz hat (vgl. § 19 der CPO.); bei dem 
Gerichte eines etwaigen Zweigetablissements hat sie den Gerichtsstand der Nieder- 
lassung (vgl. § 22 der CPO.). 
IV. Die Auflösung der offenen H. erfolgt entweder von Rechtswegen in den 
Fällen des Gesellschaftskonkurses, des Todes, des Privatkonkurses oder der Dispositions- 
unfähigkeit eines der Gesellschafter, der gegenseitigen Uebereinkunft, der Aufkündigung 
und des Ablaufs der vertragsmäßigen Dauer der Gesellschaft (Art. 123) oder durch 
richterliches Urtheil, wenn die wesentlichen Voraussetzungen des Gesellschaftsvertrags 
nicht oder nicht mehr vorhanden sind (Art 125; vgl. art. 1865 ss. Code eiv.). 
Die Auflösung der Gesellschaft führt in der Regel außer im Fall des Konkurses zur 
Liquidation (Vvgl. diesen Art.), sofern nicht die sämmtlichen Betheiligten eine 
andere Auseinandersetzung, z. B. die Veräußerung des ganzen Geschäfts oder Fort- 
setzung des Betriebs unter den bisherigen Vertragsbedingungen vereinbaren (vgl. 
Entsch. des RO„-G. Bd. XXIV. S. 145). — Trotz eines theilweisen Wechsels der 
Gesellschafter kann abgesehen von der vertragsmäßigen Bestimmung, daß die Gesell- 
schaft mit den Erben eines verstorbenen Gesellschafters fortbestehen soll (vgl. schon 
I. 5 I. de societ. 3, 26; I. 65 § 9 D. pro soc. 17, 2), die offene H. erhalten 
bleiben, wenn trotz des Ausscheidens Einzelner die Uebrigen mit Zustimmung der Aus- 
scheidenden (Art. 127) oder ohne deren Zustimmung in den Fällen der Art. 128 und 
132 die Gesellschaft fortsetzen. In diesen Fällen erfolgt die Auseinandersetzung der 
Gesellschaft mit den Ausscheidenden in der Weise, daß sich die letzteren die Aus- 
lieferung ihres Antheils am Gesellschaftsvermögen in einer den Werth desselben dar- 
stellenden Geldsumme gefallen lassen müssen; bezüglich der Abwickelung der laufenden 
Geschäfte werden sie durch die übrigbleibenden Gesellschafter vertreten (Art. 130, 131). 
Die Auflösung der offenen H. und das Ausscheiden einzelner Gesellschafter muß 
bei Vermeidung von Ordnungsstrafen und der allgemeinen gesetzlichen Folgen in 
das Handelsregister eingetragen werden (Art. 129, 87, 25; vgl. d. Art. Liquidation). 
Stille Gesellschaft ist die nach Außen nicht hervortretende Vereinigung 
zweier oder mehrerer Personen, bei welcher der eine Kontrahent (stille Gesellschafter) 
an dem Betriebe des Handelsgewerbes eines anderen (Inhaber oder Eigenthümer 
des Handelsgewerbes, auch Komplementar) mit einer Vermögenseinlage gegen An- 
theil an Gewinn und Verlust theilnimmt (Art. 250—265 des HG#.). 
Die historische Entwickelung und die rechtliche Gestaltung der stillen Gesellschaft 
(vgl. den Art. Kommanditgesellschaft) hat die noch heute vielfach verhandelte 
Streitfrage hervorgerufen, ob die stille Gesellschaft als Darlehen oder wenigstens als 
modifizirtes Darlehen (Endemann, Dahn, v. Hahn, Puchelt) oder ob sie als 
Sozietät resp. als sozietätähnlicher Innominatvertrag gelten soll (Goldschmidt, 
Thöl, Anschütz, Keyßner, Entsch. des RO. Bd. XIII. S. 63). Obwol 
bei ihr in einzelnen Beziehungen die Natur des Gläubigerverhältnisses in den Vor-
	        
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