Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

260 Handelsverträge. 
wichtiger und bedeutender wurde als die dortselbst bestehenden Handelskammern, so 
z. B. in den Rheinlanden der Verein zur Wahrung der gemeinsamen wirthschaftlichen 
Interessen von Rheinland und Westfalen, der ungleich größern Einfluß hat und nimmt 
als die meisten Rheinischen Handelskammern von Preußen, Köln und Krefeld aus- 
genommen. Ein nicht zu unterschätzender Fehler ist in mehreren Deutschen Mittelstaaten 
die zu große Zahl solcher Kammern. Man hat besonders im zusammenhange mit der 
neuesten Zollreform auch die gesetzliche Schaffung eines großen gemeinfamen Organs 
aller Handelskammern in Analogie zum volkswirthschaftlichen Senat, dem Conseil 
supérieur du commerce, de l’industrie et de l’agriculture in Frankreich angestrebt 
und auch eine Reihe von Zwischengliedern verlangt; es wird Sache der Zukunft sein, 
ob eine solche Organisation den Beifall der Regierung finden wird. Es will uns 
jedoch bedünken, daß die vorhandenen Organe, wenn sie nur selbst glücklich konstruirt 
und mit tüchtigen lebenserfahrenen Kräften dotirt und in der Lage sind ihre Interessen 
zu schützen, gerade ihre wesentliche Aufgabe darin suchen müssen, die lokalen Ver- 
hältnisse ihres Bezirks zu beobachten und darüber Bericht zu erstatten bzw. Wünsche 
zu stellen, Beschwerden zu erheben, daß aber dieser Zweck durch größere Zwischen- 
und Hauptorgane nicht befördert, eher vermindert wird. Landgraf. 
Handelsverträge. Die H. theilen sich dem Inhalte nach in zwei große 
Gruppen. Auf der einen Seite stehen die H. mit solchen Staaten, welche bisher 
außerhalb des Völkerrechts der civilisirten Nationen sich befanden, mit denen daher 
der internationale Verkehr überhaupt, der Handelsverkehr insbesondere, durch diese 
Verträge erst rechtlich zu schaffen war. Von hervorragender Bedeutung sind in 
dieser Hinsicht die Freundschafts-, Handels= und Schiffahrtsverträge, welche Preußen 
theils für sich allein, theils für den Zollverein, theils für den Zollverein und die 
damals außerhalb desselben stehenden Deutschen Staaten in den Jahren 1861 und 
1862 mit Japan, China und Siam, und welche der Nordd. Bund 1868 mit Liberia, 
der Zollverein 1869 mit Japan geschlossen hat. Maßgebend für den Inhalt dieser 
Art von H. ist insbesondere der Preußisch-Japan. Vertrag vom 24. Jan. 1861 
(Preuß. Gesetzsamml. 1864, S. 461 ff.). Derselbe stipulirt ewigen Frieden und 
beständige Freundschaft zwischen Regierungen und Unterthanen (Art. 1); gegenseitige 
Zulassung von diplomatischen Agenten und Konsularbeamten, mit dem Recht, frei 
und ungehindert in den betreffenden Ländern umherzureisen (Art. 2); die Oeffnung 
bestimmter Japanischer Städte und Häfen für die Unterthanen und den Handel 
Preußens, das Recht des dauernden Aufenthalts und des Erwerbs von Häufern 
und Grundstücken, sowie der Erbauung von Häusern, das Verbot der Anlegung von 
Befestigungen, das Recht der freien Bewegung Preußischer Unterthanen innerhalb 
eines gewissen Gebietes (Art. 4); das Recht der freien Religionsübung mit der 
Befugniß, kirchliche Gebäude zu errichten (Art. 3); die Ausübung der Civilgerichts- 
barkeit in Prozessen zwischen Preußen durch die in Japan konstituirte Preußische 
Behörde, in Prozessen zwischen Preußen und Japanern nach dem Grundsatze: actor 
rei forum sequitur, unter gegenseitiger Zusicherung prompter Justiz und Exekution 
(Art. 5); die Ausübung der Strafgerichtsbarkeit nach der Nationalität des Ange- 
schuldigten durch die Preußischen und Japanischen Behörden (Art. 6); die Ver- 
hängung von Geldstrafen und Konfiskationen wegen Zuwiderhandlungen gegen den 
H. durch die Preußischen Konsularbehörden, wogegen die erkannten Geldstrafen und 
Konfiskationen der Japanischen Regierung zufallen (Art. 7); die freie Ein= und 
Ausfuhr aller Art von Waaren in und aus den geöffneten Häfen; lediglich gegen 
die im Tarif vereinbarten Zölle, und Freiheit des Handels mit den Einzelnen ohne 
Dazwischenkunft Japanischer Beamten (Art. 8); die Verwendung Japanischer Unter- 
thanen zu allen Dienstleistungen, welche sie übernehmen und die Gesetze nicht ver- 
bieten (Art. 9); die gemeinschaftliche Aufstellung von Reglements, welche zur Aus- 
führung des Handelsregulativs geeignet und erforderlich sind (Art. 10); die Befugniß
	        
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