276 Hauptverhandlung.
daß dies geschehe, an Glaubwürdigkeit verlieren, oder umgekehrt, zu verhindern, daß
er auf eingelne Aussagen Anderer durch seine bloße Anwesenheit, durch Zeichen,
rasch dazwischengeworfene Worte Einfluß übe. In solchem Fall wird dessen Ent-
sernung aus dem Sitzungssaale angeordnet; allein es ist die Abwesenheit nur eine
vorübergehende und muß durch amtliche Mittheilung über das in der Zwischenzeit
Vorgefallene ausgeglichen werden. So nach der Oesterr. StrafPß O. 5 250. Nach
der Deutschen (§5 246) ist die vorübergehende Entfernung des Angeklagten in
dieser Weise nur zulässig, wenn „zu befürchten ist, daß ein Mitangeklagter oder ein
Zeuge bei seiner Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten die Wahrheit nicht
sagen werde.“ — Hieran reiht die Deutsche StrafP O. den Fall, wo „ordnungs-
widriges Benehmen des Angeklagten zeitweise dessen Entfernung aus dem Sitzungs-
gimmer"“ nöthig macht, wobei das Verhältniß dieser Bestimmung zu § 178 des
VG. nicht ganz klar ist, insofern es den Anschein hat, daß § 246, Abs. 2 ein-
schränkend wirkt und eine Entfernung für den ganzen Rest der Verhandlung für un-
zulässig erklärt ist. (Nach der Oesterr. StrafP O. (§ 234 liegt beides nach voraus-
gegangener fruchtloser Mahnung im Ermessen des Gerichtes.) — Die Oesterr.
Strafß O. (5 275) erwähnt auch des Falles, wo der Angeklagte während der H.
erkrankt und einwilligt, daß die Verhandlung in seiner Abwesenheit fortgesetzt und
seine in der Voruntersuchung abgegebene Erklärung vorgelesen werde. — Dagegen
enthält die Deutsche StrafP O. im § 332 eine sehr zweckmäßige Bestimmung, welche
ermöglicht, daß das Gericht dem Angeklagten unter gewissen, allerdings sehr eng
begrenzten Umständen gestatte, von der H. fernzubleiben, in welchem Falle er berech-
tigt ist, sich bei letzterer durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Vertheidiger
vertreten zu lassen (§ 233). In anderen (noch enger begrenzten) Fällen (§ 231)
findet beim Ausbleiben des unter Hinweisung auf diese Möglichkeit geladenen An-
geklagten Verhandlung in dessen Abwesenheit, ohne Zulassung eines Vertreters, auf
dem Wege des Ungehorsamsverfahrens statt, in welchem Falle der Angeklagte gegen
das Urtheil Wiedereinsetzung erlangen kann (§§8 231, 234). Die engen Grenzen,
welche hierdurch der Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten gesetzt sind, machen
es nöthig, daß gegen dessen Entfernung während der Sitzung oder für den Fall der
Unterbrechung derselben besondere Vorsichtsmaßregeln getroffen werden. Entfernt er
sich, nachdem seine Vernehmung über die Anklage erfolgt war, so kann das Gericht,
wenn es seine fernere Anwesenheit nicht für erforderlich erachtet, die H. auch in
seiner Abwesenheit zu Ende führen lassen (§ 230). Nach der Oesterr. StrasPO.
kann in den Fällen, wo es sich um ein höchstens mit fünfjähriger Freiheitsstrafe
bedrohtes Delikt handelt, der Angeklagte darüber in der Voruntersuchung (oder H.)
vernommen und ihm die Vorladung zur H. mit der Hinweisung auf diese Möglich-
keit persönlich zugestellt wurde, die H. auch in dessen Abwesenheit vorgenommen oder
fortgesetzt werden, „wenn nicht der Gerichtshof erachtet, daß in Abwesenheit des An-
geklagten eine vollkommen beruhigende Aufklärung des Sachverhaltes nicht zu er-
warten sei“. Weist der Angeklagte später (in dem an eine Frist gebundenen Ein-
spruch) nach, daß er durch ein unabweisbares Hinderniß abgehalten wurde, in der
H. zu erscheinen, so ist eine neuerliche H. anzuordnen (§ 427). Abgesehen hiervon,
muß bei Ausbleiben des Angeklagten die H. vertagt und dessen Vorführung zur
neuen H. veranlaßt werden (§ 221). Zur Urtheilsverkündung kann jedoch
auch dann geschritten werden, wenn sich der Angeklagte entfernt hat (§ 269). —
Noch wichtiger als die bloße äußerliche Anwesenheit der Betheiligten ist ihre Mit-
wirkung an der H. im Sinne eines kontradiktorischen Verfahrens. Von dem
Augenblick der Eröffnung der H. an muß eine fortwährende Wechselwirkung zwischen
Gericht und Parteien (diesen Ausdruck glauben wir in diesem Stadium des Verfahrens
unbedenklich auch dann gebrauchen zu dürfen, wenn von der Staatsanwaltschaft die
Rede ist, und zwar auch von einer solchen, welche verpflichtet ist, eine von ihr gar
nicht erhobene, und von ihrer Auffassung der etwa geänderten Sachlage ganz unab-