Gefängnißkost. 25
Gefängnißkost. Die Wahl der Kost in den Gefängnissen pflegt bei Unter—
suchungsgefangenen diesen überlassen zu sein, wobei selbstverständlich die Grenzen
der Hausordnung einzuhalten sind. Je nach den Verhältnissen und Reglements
wird diesen Gefangenen das Gewünschte entweder durch die Kostgeberei des Gefäng—
nisses, von den Angehörigen oder durch Lieferung Dritter verabreicht.
Bei Strafgefangenen gilt meistens die Regel, daß die Kost nach bestimmtem
Reglement durch die Gefängnißverwaltung resp. den Gefängnißaufseher gestellt wird.
Dies pflegt nur bei Festungs-, gewöhnlichen (nicht qualifizirten) Haft- und bei Ge—
fängnißstrafen eine Ausnahme zu erleiden. Der Entwurf des Reichsstrafvollzugs-
gesetzes bestimmt in dieser Richtung, daß den zur Festungshaft oder Haft Verur-
theilten, mit Ausnahme Derjenigen, welche eine Haftstrafe auf Grund des § 361,
Nr. 3 bis 8 des RStraf GB. zu verbüßen haben, das Recht der Selbstbeköstigung
nach näherer Bestimmung der Hausordnung zusteht. Dieses Recht kann ihnen bei
Mißbrauch entzogen werden; ferner Sträflinge, für deren Gefundheit die ge-
wöhnliche Gefangenkost nachtheilig ist, erhalten auf ärztliches Gutachten eine
andere, ihrer Gesundheit zuträgliche Kost. Letztere Bestimmung ist bereits seit meh-
reren Jahren in den dem Königlichen Justizministerium unterstehenden Gefängnissen
Preußens durchgeführt (Mittelkost). Hiermit ist also für Festungs= und Haftge-
fangene das Recht der Selbstbeköstigung, für Gefängniß= und Zuchthausgefangene
als Regel die Reichung der gewöhnlichen G. und aus Gesundheitsrücksichten eine
Ausnahmekost verordnet.
Im Allgemeinen muß verlangt werden, daß die gewöhnliche G. eine gesunde,
nicht zu schwer verdauliche und genügende sei. Es ist dies nicht nur eine For-
derung der Humanität zumal auch gegenüber allen Denen, die aus Mangel an
Mitteln von dem Rechte der Selbstbeköstigung keinen Gebrauch machen können, son-
dern es empfiehlt sich sogar schon aus ökonomischen Rücksichten im Hinblick auf den
Beschäftigungszwang und den Umstand, daß aus ungenügender Kost Krankheit und
Siechthum hervorgehen, wodurch nicht nur der Gefangene geschädigt, sondern auch
das Allgemeininteresse wegen der dann eintretenden Arbeitsunfähigkeit und der ent-
stehenden Kosten beeinträchtigt ist.
In den Kostregulativen, welche für alle Gefängnisse bestehen, ist auf örtliche
Verhältnisse, Abwechslung und die einzelnen Bestandtheile der Speisen Rücksicht zu
nehmen. Gutsch in Bruchsal und Delbrück in Halle, zwei ärztliche Autoritäten
im Gefängnißwesen, verlangen, daß die Beköstigung der arbeitenden Strafgefangenen
nach einem dem allgemeinen physiologischen Bedürfnisse entsprechenden täglichen Nah-
rungswerth von 120 Gramm Eiweiß, 50 Gramm Fett und 500 Gramm Kohlen-=
hydrat geregelt werde.
Als Getränke ist regelmäßig Wasser vorgeschrieben. Ausnahmen von der ge-
wöhnlichen Kost pflegen noch nach drei Richtungen einzutreten:
1) als Vergünstigung. Viele Hausordnungen lassen dieselben bei allen,
andere nur bei den leichteren Strafarten zu. Der Entwurf eines Reichsstraf-
vollzugsgesetzes bestimmt: „Den Sträflingen kann die Verwendung eines Theils
der Arbeitsbelohnung zur Beschaffung von Genußmitteln gestattet werden.“ In
bemessenen Ouantitäten können hiernach, und gewöhnlich bei gutem Verhalten, aus
dem Arbeitsverdienst des Gefangenen diesem Genußmittel wie Brod, Butter, Salz,
Milch, Eier, Kartoffeln, Obst, andere frische Vegetabilien, Häringe, mitunter auch
Bier verabreicht werden.
2) Israelitischen Gefangenen pflegt zur österlichen Zeit Passakost ver-
abreicht zu werden.
3) Kranke erhalten eine andere, ihren Zuständen entsprechende Kost, die im
Allgemeinen wol durch Regulativ festgesetzt sein kann, im Einzelnen sich aber nach
den Verordnungen des Arztes richtet.