286 Hauptverhandlung.
VII. Beweisverfjahren (vgl. diesen Art.). Dieses bildet keinen streng ab-
geschlossenen Theil der H. Zunächst ist nicht zu verkennen, daß die Vernehmung
des Angeklagten von ihm nicht ganz zu trennen ist. So weit es sich bei derselben
um Entgegennahme eines Geständnisses handelt, bildet sie geradezu einen Akt
des Beweisverfahrens, während umgekehrt die eigentliche Vernehmung nach der Vor-
führung jedes Beweismittels wieder ausgenommen wird. — Zur Vermischung beider
Stadien der H. trägt aber noch mehr das Doppelverhältniß der Mitangeklagten
bei. Jeder von ihnen ist der Staatsanwaltschaft und dem Gericht gegenüber Partei;
sie sind aber nicht Streitgenossen, wie mehrere Beklagte im Eivilprozeß und sobald
ein Mitangeklagter eine Aussage macht, welche zur Belastung oder Entlastung eines
anderen dient, ist er ein Zeuge, dessen Glaubwürdigkeit jedoch durch seine bedrohte
Lage, den auf ihm selbst lastenden Verdacht und die dadurch ausgeschlossene Möglichkeit
der Beeidigung beeinträchtigt wird. Gegeneinander haben die Mitangeklagten aber
dieselben Rechte, welche sie Zeugen gegenüber haben. — Noch in einem anderen
Sinne bildet das Beweisverfahren keinen streng abgeschlossenen Theil der H.; es
kann sich später immer wieder das Bedürfniß zeigen, das schon abgeschlossene wieder
zu eröffnen und es fehlt nicht an Behauptungen, daß dies so lange möglich
sei, als nicht das Urtheil (bzw. der Wahrspruch der Geschworenen) verkündet ist.
Was dagegen mit einem geordneten Gange des Verfahrens ganz unvereinbar ist, ist
das Hereinziehen der Diskussion der Ergebnisse des Beweisverfahrens in das Stadium
der Beweisaufnahme. Ganz auszuschließen ist freilich auch dies nicht; zunächst giebt
das Gesetz dazu Anlaß, indem es vorschreibt, daß dem Angeklagten zur Aeußerung
über jede Vernehmung Gelegenheit gegeben werden solle; außerdem aber können
während des Beweisverfahrens Anträge auf Beweisaufnahmen oder auf Vertagung,
Diskussionen über Zwischenfragen auftauchen, mit welchen Besprechungen der Be-
weisergebnisse, so lange sie bona fide zu solchen Zwecken vorgebracht werden, ver-
bunden werden dürfen. — Unter den Zwischenfällen, die das Beweisverfahren mit
sich bringen kann, sind zwei besonders hervorzuheben. Eigentliche Gegenüber-
stellungen (Konfrontationen, (. diesen Art.) von Zeugen mit dem Angeklagten
oder von Mitangeklagten gegeneinander, im Sinne des alten inquisitorischen Prozesses,
vertragen sich mit der Parteistellung der Angeklagten und ihrem Rechte, die Ant-
wort zu verweigern, nicht; das Wesentliche der Gegenüberstellung ist im mündlichen
Verfahren ohnehin permanent: jede Aussage wird, abgesehen von ausnahmsweiser
Entfernung des Angeklagten, diesem „ins Gesicht"“ abgelegt. Wol aber kann eine
Vernehmung mehrerer Zeugen, ja selbst von Sachverständigen die Form der Gegen-
überstellung annehmen. (Nach § 58, Abs. 2 der Deutschen Straf ##O. soll die Ge-
genüberstellung für die H. aufgespart werden, wenn sie nicht im Vorverfahren dringlich
ist.) — Ein anderer Zwischenfall, den die Gesetze ausdrücklich zu regeln pflegen, ist
der, daß ein Zeuge falsch aussagt. Der bekannte art. 330 des Code d’Instr.
enthält die Bestimmung, daß in solchem Falle der Vorsitzende den Zeugen sofort
verhaften lassen könne. Diese Bestimmung steht in einem gewissen Zusammenhange
mit dem ebenfalls dem Gericht eingeräumten Rechte, in der Sitzung begangene De-
likte sogleich summarisch abzuurtheilen, und wirkt als eine Beschränkung dieser
Befugniß. Auch in dieser Einschränkung ist sie zweischneidig. Einerseits kann es in
Fällen, wo Verabredungen zu falschem Zeugniß, systematische Einwirkungen auf die
Zeugen vorkommen, sehr nöthig sein, daß Ernst gezeigt werde; andererseits ist die
Erklärung, es liege falsches Zeugniß vor, und die so nachdrückliche Verfolgung wegen
desselben ohne Vorgreifen gegenüber dem Endurtheile kaum denkbar. Die Sächf.
StrafP O. von 1855, deren Motive hierauf aufmerksam machte, räumte dem Gericht
daher nur die Befugniß ein, die Verhandlung auszusetzen und eventuell den Zeugen
bis zur Entscheidung über die Einleitung der Untersuchung in Verwahrung zu
nehmen, welch letztere Befugniß ihm v. Schwarze aber auch außer dem Falle der
Aussetzung vindizirt. Die Oesterr. StrafPp O. (§ 277) erwähnt in erster Linie die