290 Hauptverhandlung.
(§ 259 Z. 2) muß der Angeklagte freigesprochen werden, „wenn der Ankläger nach
Eröffnung der . und ehe der Gerichtshof sich zur Schöpfung des Urtheils zurück.
#ieht, von der Anklage zurücktritt.“ Ein ausdrücklicher Antrag auf Freisprechung
würde natürlich den Rücktritt von der Anklage enthalten. Dagegen ist allerdings
der Staatsanwalt nicht nur nicht gehindert, sondern nach § 3 sogar verpflichtet, in
seinem Vortrage, in welchem er die Ergebnisse der Beweisführung zusammenzufassen
hat, „die zur Belastung und die zur Vertheidigung“ des Angeklagten „dienenden
Umstände mit gleicher Sorgfalt zu berücksichtigen“.
3) Nach § 256 der Oesterr. StrafP O. hat der Staatsanwalt „einen bestimmten
Antrag über die Bemessung der Strafe innerhalb des gesetzlichen Strafsatzes nicht zu
stellen“. In der schon früher erwähnten Anweisung an die Staatsanwaltschaft bei
Einführung der StrafP O. von 1873 (Justiz-Min.-Erl. vom 25. Nov. 1873) heißt
es darüber: „Durch diese Bestimmung soll dafür vorgesorgt werden, daß dem Richter
die freie Würdigung des individuellen Falles, der spruchreif seiner Entscheidung un-
terstellt ist, auch nicht indirekt verkümmert werde. Damit werden Kollisionen ver-
mieden, welche sonst leicht entstehen, wo es sich um einen schließlich von subjektiver
Beurtheilung abhängigen ziffermäßigen Ausspruch handelt, und die guten Beziehungen,
welche zwischen Gericht und Staatsanwaltschaft bestehen müssen (und welche das
neue Gesetz in ähnlicher Weise auch durch die Bestimmungen über die Versetzung in
Anklagestand zu fördern sucht), werden dabei sicher gewinnen. Andererseits aber
ist durch diese gesetzliche Anordnung die Staatsanwaltschaft nicht von der Pflicht
entbunden, die Frage der Anwendung außerordentlicher Milderung zu erörtern und
sich im Allgemeinen über die auf das Maß der anzuwendenden Strenge Einfluß
übenden Verhältnisse, insbesondere über die relative Größe der Schuld mehrerer Mit-
angeklagten auszusprechen."
Ein Antrag, eine ähnliche Bestimmung in die Deutsche StrafP O. aufzunehmen,
ist von der Reichstagskommission abgelehnt worden. Es ist Löwe darin beizu-
pflichten, wenn er zur Rechtfertigung dieses Beschlusses darauf hinweist, es könne
nach der Deutschen Straf P O. das Gericht ja sogar in den Fall kommen, gegen den
Antrag des Staatsanwaltes verurtheilen zu müssen. Immerhin aber stehen in
solchem Falle zwei Ansichten einander gegenüber, zwischen denen man wählen muß,
und die man begründen kann, während die Wahl zwischen zwei Ziffern immer mehr
den Eindruck der Willkür und — bei Ueberbietung des zunächst zu Strenge Be-
rufenen — auffallender Strenge machen muß. Dies gilt aber nur von dem Aus-
sprechen einer Ziffer; die Erwähnung der gegen den Angeklagten sprechenden Straf-
schärfungsgründe, welche Löwe als in dessen Interesse gelegen bezeichnet, wäre durch
eine Verfügung im oben bezeichneten Sinne nicht ausgeschlossen. Andererseits folgt
aus der Ablehnung des erwähnten Antrages die Pflicht des Staatsanwaltes, jedes-
mal einen bestimmten, ziffermäßigen Antrag zu stellen, überhaupt nicht.
4) Die Reihenfolge ist die, daß zuerst der Ankläger (Staatsanwalt, Privat-
ankläger, in Oesterreich auch der Subsidiarankläger) das Wort erhält, darauf (in
Oesterreich der Privatbetheiligte sodann), der Angeklagte und sein Vertheidiger.
Beide Gesetze (Deutsche StrafP O. §5 257, Oesterr. Strasf# O. § 253) erwähnen sodann
eine Entgegnung des Staatsanwaltes und erkennen dem Angeklagten das letzte Wort
zu. Aus der Fassung beider Gesetze folgt, daß sie einen nur zweimaligen Rede-
wechsel vor Augen haben. Das Verhältniß zwischen Angeklagtem und Vertheidiger
ordnen diese unter sich; sie können beide, in der ihnen angemessen scheinenden Ord-
nung sprechen. Da aber nach Abs. 3 des § 257 der Deutschen StrafP O. der An-
geklagte jedenfalls zu befragen ist, ob er noch etwas zu seiner Vertheidigung beizu-
fügen habe (was auch in Oesterreich geschieht), so ertheilt der Vorsitzende wol am
zweckmäßigsten ausdrücklich dem Vertheidiger zuerst das Wort. Wenn eine Mehrheit
von Staatsanwälten oder Vertheidigern sich betheiligt (was nach § 226 der Deutschen
StrafP O. und nach § 40 der Oesterr. StrafP O. — letztere fügt bei: „doch dar