Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

300 Havarie. 
die gewöhnlich eintreten. Die H. wurde demgemäß eingetheilt: 1) in die beson- 
dere H. (avarie particulière), d. h. diejenige, die entweder nur vom Schiff oder 
nur von der Ladung zu tragen ist; 2) die gemeinschaftliche H. (avarie com- 
mune). Die letztere zerfiel wieder: a) in die kleine oder ordinäre H., d. h. die 
gewöhnlichen Unkosten, die eine Reise auch ohne besondere Unfalle mit sich bringt; 
b) die große oder ertraordinäre O. (avarie grosse), die durch besondere Unglücksfälle 
veranlaßt ist. Auf die Größe des Unglücks oder Schadens kommt jedoch nichts an. — 
Das OG#B. hat die kleine oder ordinäre H. beseitigt, die gewöhnlichen Unkosten der 
Schiffahrt sind vom Befrachter zu tragen (Art. 622). Zunächst ist hiernach der 
Begriff der großen H. zu bestimmen, daraus ergiebt sich der der besonderen. Zur 
großen O. gehört ein Zusammentreffen von drei Erfordernissen: a) Es muß eine 
gemeinsame Gefahr vorhanden sein, ein Unfall, der Schiff und Ladung gemein- 
schaftlich bedroht. Die Gefahr muß eine wirkliche, keine blos eingebildete sein; 
gleichgültig ist es, ob sie veranlaßt ist durch einen casus, durch die Schuld eines 
Dritten oder eines Betheiligten. Ist ein Verschulden vorhanden, so tritt nur außer- 
dem noch die persönliche Verantwortlichkeit des Schuldigen ein. Ist derselbe ein 
Betheiligter, so verliert er den Anspruch, als Berechtigter an der Kontribution Theil 
zu nehmen. b) Es muß zur Abwendung der Gefahr ein Opfer gebracht sein, und 
war vom Schiffer oder seinem Stellvertreter. Es muß also von diesen Personen 
entweder dem Schiff oder der Ladung oder beiden absichtlich ein Schaden zugefügt 
oder es müssen sonst Kosten oder Aufwendungen gemacht sein. Dadurch werden 
also alle blos zufälligen Beschädigungen ausgeschlossen. Die hierher gehörigen 
Hauptfälle sind, jedoch nur beispielsweise, im Art. 708 aufgezählt. c) Das Opfer 
muß nicht gänzlich refultatlos geblieben sein, es muß eine gänzliche oder theilweise 
Rettung der bedrohten Gegenstände (Schiff und Ladung) stattgefunden haben. — 
Sind diese drei Bedingungen nicht sämmtlich vorhanden, so liegt nur partikuläre H. 
vor, bei der keine Kontribution des Schadens stattfindet, sondern bei welcher sich die 
Tragung des Zufalls, resp. der Anspruch auf Schadenserfatz ganz nach gewöhnlichen 
civilrechtlichen Grundsätzen bestimmt. Liegt aber eine H. grosse vor, so findet eine 
Vertheilung des stattgehabten Schadens auf alle Diejenigen statt, quorum inter- 
fuisset jacturam tieri. Es sind dies: der Rheder in Betreff des Schiffs, die 
Ladungsinteressenten in Betreff der Ladung, der Verfrachter in Betreff der verdienten 
Fracht. Die Vertheilung selbst geschieht nach folgenden Grundsätzen: Zunächst er- 
folgt die Ermittelung des Schadens, und zwar, wenn der Schaden am Schiff ge- 
schehen ist, unter Veranschlagung der Reparaturkosten und unter Berücksichtigung des 
Unterschiedes von alt und neu: wenn der Schade an der Ladung geschehen ist, nach 
dem Marktpreis, den Güter derselben Art und Beschaffenheit am Bestimmungsort 
haben. Daraufs erfolgt die Vertheilung selbst. Es kontribuirt bei derselben: a) das 
Schiff mit dem Werth, den es am Ende der Reise hat, plus dem als H. grosse 
iinn Betracht kommenden Schaden; b) die Ladung mit den bei der Löschung vor- 
handenen plus den wegen H. grosse geworfenen Gütern; c) die Fracht mit 2⅜/ ihres 
Bruttobetrages (wegen der darauf haftenden Unkosten) plus ⅜Z des Bruttobetrages 
der durch die H. grosse verlorenen Fracht. — Die Regulirung der H. grosse erfolgt 
durch die Dispache. Der Schiffer hat die Aufnahme derselben sofort nach Ankunft 
des Schiffes im Bestimmungshafen oder nach anderweitiger Beendigung der Reise zu 
veranlassen. Im Gebiet des HG#B. bestehen hierzu eigene gerichtlich bestellte Per- 
sonen (Dispacheurs, gewöhnlich zugleich Schiffsmäkler). Die Beitragspflicht haftet 
zunächst nur auf dem Gut und gewährt keinen perfönlichen Anspruch. Will daher 
der Eigenthümer oder sonstige Berechtigte die Gegenstände nicht übernehmen, oder 
gehen dieselben vor der Empfangnahme in Folge einer partikulären H. oder eines 
sonstigen Unfalles unter, so braucht er keinen Beitrag zu zahlen. Nur sofern ein 
Gegenstand übernommen ist, obwol der Uebernehmer wußte, daß ein Beitrag darauf 
hafte, wird derselbe persönlich verpflichtet, aber auch hier nur so weit, als der Werth
	        
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