Heimathsamt. 305
o sind die Landesspruchbehörden nur für die unteren Instanzen zuständig und es
indet gegen die höchste landesgesetzliche Instanz — so weit nicht die Organisation
der örtliche Abgrenzung der einzelnen Armenverbände Gegenstand der Beschwerde
st — Berufung an das H. statt. Es liegt auf der Hand, daß bei dieser beschränkten
zuständigkeit des H. letzteres nur unvollkommen für die einheitliche Anwendung
es Gesetzes wirken kann. Dies wurde auch bei der Berathung im Reichstage nicht
erkannt und die Preuß. Regierung erklärte sich prinzipiell für die Schaffung eines
semeinsamen Bundesorgans, welches in oberster Instanz über alle Streitigkeiten
wischen Armenverbänden innerhalb des ganzen Bundesgebiets zu entscheiden hätte.
ndessen erschien unter den damaligen politischen Verhältnissen das Zustandekommen
es ganzen Gesetzes gefährdet, wenn an dieser umfassenderen Zuständigkeit des H. fest-
sehalten wurde. Man begnügte sich einstweilen mit der Bestimmung, daß durch die
tandesgesetzgebung eines Bundesstaats für die Streitsachen seiner Armenverbände das
lei interterritorialen. Streitsachen vorgeschriebene Verfahren mit dem H. als letzte
Instanz eingeführt werden dürfe. Von dieser Ermächtigung haben bisher Preußen
Lauenburg), Hessen, Sachsen-Weimar, Braunschweig, Sachsen-Altenburg, Sachsen-
koburg-Gotha, Anhalt, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen,
Haldeck, Reuß j. L., Lippe, Bremen und Lübeck Gebrauch gemacht, dem H. gebührt
aher die Entscheidung letzter Instanz auch für solche Armenstreitigkeiten, in denen
eide streitende Theile einem dieser Staaten angehören. Wenn sonach die Zuständig-
eit des H. sich über den größten Theil des Bundesgebiets erstreckt, so ist immerhin
ie gleichmäßige Anwendung des Gesetzes keineswegs gesichert. Denn die im Reichs-
age ausgesprochene Erwartung, daß die Entscheidungen des H. vermöge ihrer
noralischen Kraft eine zwiespältige Anwendung des Gesetzes verhindern würden, ist
eider nicht im vollen Umfange in Erfüllung gegangen. Es besteht zur Zeit noch
vun wichtigen Fragen Meinungsverschiedenheit zwischen dem H. und höchsten Landes-
nstanzen. Daher kann es z. B. vorkommen, daß in Staaten, welche dem H. die
etzte Instanz in Landesstreitsachen nicht übertragen haben (Königreich Sachsen,
Vürttemberg, Baden u. s. w.), bezüglich ein und derselben Person die definitive
lnterstützungspflicht verschiedenen Armenverbänden auferlegt wird, je nachdem die
orläufige Armenpflege durch einen Armenverband desselben oder eines anderen Bundes-
taats geübt ist.
Das H. ist eine ständige und kollegiale Behörde, welche ihren Sitz in Berlin
at. Es besteht aus einem zum höheren Richteramt qualifizirten Vorsitzenden und
nvindestens vier Mitgliedern, von denen die Hälfte die OQualifikation zum höheren
kichteramt im Staate ihrer Angehörigkeit besitzen muß. Das Verfahren in solchen
Streitsachen, in denen das H. zu entscheiden berufen ist, ist durch das RGes. vom
fi. Juni 1870 geregelt. Die Entscheidung des H. erfolgt in öffentlicher Sitzung, ein
veiteres Rechtsmittel ist gegen dieselbe nicht zulässig.
Das H. erachtet die durch das angeführte RGes. und die AG. der Bundesstaaten
ingesetzten Spruchbehörden nicht nur — wie früher aus dem Wortlaute des Ge-
#tzes geschlossen worden ist — für zuständig, wenn ein vorlaufig unterstützender
ortsarmenverband gegen den endgültig verpflichteten Armenverband klagt, sondern
uch dann, wenn ein Land armenverband die vorläufige Unterstützung hat gewähren
üüssen. Es erkennt die Zuständigkeit dieser Spruchbehörden allgemein bei denjenigen
streitsachen zwischen Armenverbänden an, welche die Frage zum Gegenstande haben,
on welchem Armenverbande bzw. in welchem Umfange ein bestimmter Hülfsbedürf-
ger zu unterstützen ist. Es läßt daher zu die Klage auf Uebernahme der vor-
iufigen Fürsorge gegen einen Armenverband, welcher sich einer rechtswidrigen Ab-
hiebung schuldig gemacht hat, auf Rückerstattung irrthümlich gezahlter Kosten, auf
ebernahme eines irrthümlich in Armenpflege genommenen Hülfsbedürftigen, auf
ahlung von Pflegekosten, welche in Folge eines Vertrags aufgewendet sind, voraus-
setzt, daß der Vertrag im öffentlichen Armenrechte wurzelte, z. B. in Befolgung
d. Holtzendorff, Enc. II. Rechtslexikon II. 3. Aufl. 20