Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

Geistliche Gerichte. 35 
und Strassachen der Geistlichen, in Bayern und Oesterreich (das sog. Konsistorium, 
bzw. Ehegericht) für die Eheprozesse, im letzteren Staat mitunter auch ein eigenes 
sog. Diözesangericht für die übrigen kirchlichen Rechts= und Kriminalsachen. 
Der Regel nach haben diese Behörden dem Bischof gegenüber nur berathende Stellung, 
es kommt indessen auch vor, daß sie unter dem Vorsitze eines der geistlichen Räthe 
(gewöhnlich Offizial genannt) als selbständig entscheidende Kollegien formirt sind. — 
Die zweite Instanz ist der Erzbischof mit der ihm zur Seite stehenden Behörde. 
Für die Diözesen der Erzbischöfe ist entweder eine besondere Abtheilung derselben 
als Appellationsgericht (so z. B. in Köln) bestellt oder es ist das bischöfliche Ge- 
richt einer anderen Diözese als solches für die beim erzbischöflichen Gericht in erster 
Instanz angebrachten Sachen vom Papste delegirt (letzteres kommt in Preußen, 
Bayern und Oesterreich vor). In ähnlicher Weise wird die zweite Instanz für die 
Gerichte exemter bischöflicher Diözesen beschafft. 
Die Verhandlung und Entscheidung dritter Instanz steht dem päpstlichen Stuhle 
zu. In Folge der vielen Beschwerden über die Vertheuerung und Verschleppung 
der Rechtspflege in Rom sowie über die Durchbrechung des Instanzenzuges ver- 
mittelst der direkten Umgehung der päpstlichen Behörden hat das Konzil von Trient 
nach dem Vorgange der Reformkonzilien von Konstanz und Basel angeordnet, daß 
alle kirchlichen Rechtssachen in erster Instanz vor den Ordinarien und die nach Rom 
zur Entscheidung gelangenden Sachen nicht dort, sondern im Inlande an Ort und 
Stelle verhandelt werden müssen. Zu letzterem Behufe hat der Papst die Ent- 
scheidung besonderen einheimischen Richtern (judices in partibus) zu delegiren. Die 
geeigneten Persönlichkeiten sollen durch die Provinzial= oder Diöbzesansynoden aus- 
gewählt werden, wo aber diese nicht üblich sind, geschieht die Bezeichnung durch den 
Bischof unter Beirath des Kapitels. Wegen der Art ihrer Designation heißen 
diese Richter auch judices synodales, bzw. prosynodales. In Deutschland und 
Oesterreich ist es aber theilweise üblich, daß der Papst auf bestimmte Zeit ein 
erzbischöfliches oder bischöfliches Gericht oder einen Nuntius, wie z. B. den zu Wien, 
zur dritten Instanz für alle, aus bestimmten anderen Diözesen in diese gelangenden 
Sachen bestellt. 
Was die heutige Zuständigkeit der g. G. betrifft, so ist in Deutschland und 
Oesterreich ihre Kompetenz in Disziplinarsachen der Geistlichen nicht nur staatlich 
anerkannt, sondern der Staat leiht auch den Erkenntnissen seinen weltlichen Arm zur 
Vollstreckung, falls die staatlichen, der Ausübung der Disziplinargewalt gezogenen 
Grenzen innegehalten worden sind. Für Preußen und Württemberg tritt 
aber die Beschränkung ein, daß die Disziplinargewalt nur von Deutschen kirch- 
lichen Behörden ausgeübt werden darf. Im Uebrigen ist eine Gerichtsbarkeit der 
g. G. in gewöhnlichen Strafsachen, in Civilsachen gegen Geistliche, in Ehe- 
sachen und anderen das kirchliche Gebiet berührenden Privatrechtsstreitigkeiten 
(wie Baulast-, Zehnt-, Patronatssachen) in Deutschland nicht mehr anerkannt, 
d. h. die desfallsigen Verfügungen und Urtheile der g. G. haben für das staatliche 
Gebiet nicht die mindeste rechtliche Bedeutung. Dagegen hindert der Staat anderer- 
seits die Katholiken nicht, die Entscheidung der g. G. anzurufen, um den Vor- 
schriften ihrer Kirche, z. B. in Bezug auf Ehestreitigkeiten, nachzukommen, und läßt 
dieselben, insoweit ihre Thätigkeit blos für das rein innere, das sog. Gewissensgebiet 
eine maßgebende Geltung beansprucht, fungiren. 
Die evangelische Kirche übt heute in Deutschland nur noch eine Gerichtsbarkeit 
in Disziplinarsachen der Geistlichen. Die Disziplinargerichte bilden hier ebenfalls 
die kirchlichen Regimentsbehörden, d. h. die Konsistorien, bzw. die Oberkirchen- 
räthe; auch tritt in einzelnen Ländern in gewissen Fällen der Provinzial-, bzw. der 
General-Sydonal-Ausschuß diesen Behörden hinzu. Ein besonderes Dienstgericht für 
schwerere Fälle, bestehend aus landesherrlich und von der Synode gewählten Mit- 
gliedern, ist in Oldenburg eingerichtet. 
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