Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

Investitur. 393 
vollaus entrichten zu müssen. — Das neuere Gem. Recht neigt dahin, an die Stelle 
des Privatinventars ein öffentliches zu setzen, errichtet ausschließlich von der Behörde 
selbst (oder vom Erben, aber unter Niederlegung bei der Behörde), und zwar nach- 
dem der Erbe erklärt hatte, nur cum beneficio legis (der gesetzlichen Ueberlegungs- 
frist) et inventarii antreten zu wollen (Benefizialerbe). Doch begnügte man sich 
vielfach auch mit eidlicher Privatspezifikation des Erben selber. Jenen Grundsätzen 
schließt auch der Code civil sich an, sowie das Preuß. Allg. LR. und das Oesterr. BG., 
welche Antritt mit oder ohne Vorbehalt der Rechtswohlthat des Inventars genau 
unterscheiden. Für Partikularrechte wie das Sächsische, welche nach deutschrechtlichem 
Grundsatz die Haftung des Erben schlechthin auf den Nachlaßbestand beschränken, 
hat jene Rechtswohlthat und deren Vorbehalt eigentlich keinen Sinn. Das im 
Sächs. BGB. erwähnte, innerhalb Jahresfrist öffentlich oder privat errichtete, im 
letzteren Falle aber bei Gericht überreichte und auf Erfordern eidlich zu bestärkende 
Nachlaßverzeichniß hat daher nur diese Bedeutung: es verschafft dem Erben das 
Recht, im Falle der Nachlaßsolvenz, Gläubiger und Vermächtnißnehmer ohne Rück- 
sicht auf Vorzugsrechte, sowie auch sich selbst als Gläubiger zu befriedigen und 
nachträglich sich Meldende auf Regreßklage gegen die Befriedigten zu verweisen. 
Lit. u. Quellen: Glück, XLI. S. 355 ff. — Heimbach im Rechtslex. I. 909 ff. — 
Windscheid, Lehrb., III. § 606. — W. Seestern-Pauly, Diss.: Quanto modo heres, 
ui heredit. inventario neglecto adiit, legata debeat?, Kil. 1859. — 1. 22 C. 6, 30. — § 6 I. 
5. 19. — Nov. 1 c. 2. cf. Nov. 48 c. 1. — Preuß. LR. I. 9 §§ 413—456; I. 16 88 486 ff. — 
Code civ. art. 793 ss. — Code de proc. civ. art. 941 ss. — Oesterr. BGB. §#§ 800 ff. — 
Sächs. BGB. §§ 2331 ff. — Mommsen, Erbr.-Entw., §§ 256 ff. Schütze. 
Investitur (Deutsch: Gewere; Th. I. S. 207) bezeichnete ursprünglich den 
sormellen Akt der Einweisung in den Besitz einer unbeweglichen Sache, welcher auf 
dem Grundstück selbst vorgenommen wurde. Aber neben der realen J. bildet sich 
schon in Fränkischer Zeit eine symbolische I., bei welcher der Traditionswille außer- 
halb des Grundstücks durch Uebergabe bestimmter Symbole oder durch Begebung 
einer Urkunde erklärt wird. Die Terminologie des Langobardischen Lehnrechts bezieht 
das Wort auf den Akt der Belehnung und in dieser Anwendung ist die J. für das 
heutige Lehnrecht praktisch geblieben, soweit das Lehnrecht überhaupt noch praktische 
Bedeutung besitzt. 
Die Funktion der J. besteht entweder in der Lehnserrichtung oder in der 
Lehnserneuerung, je nachdem ein neues Lehen begründet oder in Bezug auf ein be- 
reits bestehendes wegen Wechsels in der Person des Lehnsherrn oder Vasallen die 
Belehnung erneuert wird. Im ersten Falle geht der J., welche — sovweit es sich 
um die dingliche Seite des Lehnsverhältnisses handelt — als ein dinglicher Vertrag 
erscheint, ein vorbereitendes Rechtsgeschäft, der Lehnsvertrag voraus, der als Kauf, 
Tausch oder Schenkung u. dgl. die Willenseinigung der Parteien bezüglich der 
Lehnserrichtung zum Gegenstande hat und einen perfönlichen Anspruch auf Vornahme 
der J. gewährt. Der Lehnsvertrag enthält zugleich die näheren Feststellungen über 
das Rechtsverhältniß des zu begründenden Lehens und wird insofern lex investiturae 
genannt. Der Versuch, den Lehnsvertrag als ein die J. in sich schließendes Rechts- 
geschäft hinzustellen, was nur unter Verwechslung des dinglichen und obligatorischen 
Vertrags geschehen konnte, hat in dem Gebiete dieser Lehre unter den älteren Feu- 
disten vielfache Kontroversen hervorgerufen, die in der juristischen Scheidung des 
Lehnskontraktes und der J. ihre Erledigung fanden. Der Akt der J. schließt nach 
heutigem Recht nicht blos, wie man nach dem Wortsinne erwarten sollte, die Leihe, 
sondern auch die Huldigung in sich, welche mit jener in Einem Rechtsgeschäft zu- 
sammengezogen ist. Die Huldigung besteht in der Zusage der Treue von Seiten des 
Vafallen, der seinem Herrn eidlich gelobt, ihm treu und hold und gewärtig zu sein, 
vorauf hin der Herr gleichfalls die Lehnstreue zusichert. Die Leihe hat ihre frühere 
eiche Symbolik abgestreift (Fahne bei Fahnlehen, Scepter bei Scepterlehen, Hand-
	        
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