Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

396 Frrengesetzgebung. 
Jede Anstalt hat ein von der Behörde kontrolirtes Journal über ihre Kranken 
mit Angabe der Belege der Aufnahme, der Personalien, Abgänge rc. zu führen, 
welches den die Anstalt inspizirenden Beamten jeweils vorzulegen und von diesen zu 
unterzeichnen ist. , 
Die Entlassung aus der Anstalt erfolgt auf die Erklärung der Anstaltsärzte, 
daß der Kranke geheilt sei, oder auf Verlangen des Kurators, der Person, welche 
die Aufnahme beantragt hat, eines Verwandten oder sonst vom Familienrath Be— 
vollmächtigten. Bei Minderjährigen oder Entmündigten kann blos der Kurator die 
Entlassung beantragen; hält der Anstaltsarzt die Entlassung für bedenklich aus 
Gründen der öffentlichen oder persönlichen Sicherheit des Kranken, so setzt er den 
Maire in Kenntniß, der die Entlassung sistiren kann, jedoch den Präfekten binnen 24 
Stunden zu benachrichtigen hat. Der Sistirungstermin des Maire erlischt binnen 
14 Tagen, wenn inzwischen der Präfekt nicht anders verfügt hat; binnen 24 Stunden 
nach der geschehenen Entlassung hat der Anstaltsbeamte der Behörde Bericht davon 
zu erstatten mit Angabe, wohin der Entlassene gebracht wurde und von welchen 
Personen, sowie in welchem Geisteszustand sich der Betreffende zur Zeit der Ent— 
lassung befand. 
Dies in nuce der Wortlaut des Franz. Irrengesetzes über Aufnahme und Ent- 
lassung in Anstalten, das wesentlich aus dem Interesse der Gesellschaft hervorgeht, 
daß kein Geistesgesunder widerrechtlich in einer Irrenanstalt seiner Freiheit beraubt 
werde. In den Deutschen und anderen Europäischen Staaten finden sich analoge 
Verordnungen und Bestimmungen. So verschieden ihr Wortlaut auch ist, so stimmen 
sie sämmtlich in dem Grundsatz der staatlichen Kontrole der Aufnahmen in Irren- 
anstalten überein und betrachten die Einsperrung eines selbst notorisch Irren in eine 
Anstalt als eine widerrechtliche und strafbare, sofern nicht mindestens das Mitwissen 
der öffentlichen Behörde, oder Nachweis der Geistesstörung durch einen ärztlichen 
Sachverständigen vorliegt. Die Bedingungen der Aufnahme (Aufnahmsverfahren) 
von FIrren in die öffentlichen Anstalten in Deutschland kommen im Wesentlichen 
darin überein, daß von den Angehörigen oder dem Vormund eines Aufzunehmenden 
bei der zuständigen Verwaltungsbehörde ein Antrag auf Versetzung in ein Irrenhaus 
gestellt, von einem approbirten Arzt (nach einigen Ländern auch Staatsarzt) der 
Gemüthszustand untersucht wird. Die dadurch erwachsenen Akten sendet die Behörde 
an die Irrenhausdirektion, welche die Nothwendigkeit der Aufnahme (Hülflosigkeit, 
Gefährlichkeit oder Heilbarkeit) prüft und, nach Ermessen die Genehmigung der Ober- 
behörde zur Aufnahme einholt und, nachdem diese erfolgt ist, den Kranken einberuft. 
Wo Gefahr auf dem Verzug ist, kann die Irrenhausdirektion eine provisorische 
Aufnahme auf Grund eines ärztlichen Attestes vornehmen, muß aber sofort davon 
der Behörde Anzeige machen und nachträglich deren Genehmigung erwirken. 
Endlich kommen Fälle vor, wo Kranke freiwillig sich stellen (meist mit Selbst- 
mordhang behaftete) oder auf der Straße aufgegriffen werden. Hier kann der Kranke 
ebenfalls ohne alle Belege einstweilen aufgenommen werden, aber die Polizeibehörde ist 
sofort zu benachrichtigen und der Geisteszustand von dem nächsten Gerichtsarzt festzustellen. 
Ein Geisteskranker kann in der Regel nur mit Zustimmung seiner Verwandten 
oder seines Vormunds in eine Irrenanstalt aufsgenommen werden, indeß giebt es 
Fälle, wo auch gegen den Willen dieser Personen von der Polizeibehörde als Sicher- 
heitsorgan die Aufnahme eines Irren verfügt werden kann. 
Der Art. 18 des Franz. Irrengesetzes giebt diese Befugniß der zuständigen 
Polizeibehörde in allen Fällen, wo der Kranke die öffentliche Ordnung oder Sicher- 
heit gefährdet, nach Aufnahme eines Protokolls, in welchem die Motive der noth- 
wendigen Internirung enthalten sind. In einem dringenden Fall, der durch 
einen Arzt oder durch eine öffentliche Thatsache konstatirt sein muß, kann die Polizei 
sofort den Irren interniren, hat aber binnen 24 Stunden dem Präfekt Anzeige zu 
erstatten, der dann das Weitere verfügt. Im ersten Monat jeden Halbjahres hat
	        
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