398 Irrengesetzgebung.
Die staatliche Beausfsichtigung der Irrenanstalten ist gesetzlich
vorgesehen und geregelt. Die öffentlichen Anstalten sind Staatsinstitute, ihre Vor-
stände Staatsbeamte und für alle Vorgänge in der Anstalt verantwortlich. Die
Staatsbehörde hat Recht und Pflicht, in gesetzlich bestimmten Terminen, wenn sie
es für nöthig findet, jederzeit durch abgeordnete Beamte nicht nur den Stand der
ökonomischen Verwaltung des Instituts, sondern auch die Gesundheitsverhältnisse
desselben, die Art der Behandlung und Verpflegung der Kranken, die Belege ihrer
Aufnahme zu prüfen, ihre Klagen und Wünsche entgegenzunehmen, ihren Geistes-
zustand zu untersuchen und darüber zu wachen, daß Niemand unrechtmäßig in die
Anstalt ausgenommen oder länger als nöthig zurückgehalten werde. Der Befund
dieser Kommission ist der Behörde vorzulegen.
Das Franz. Irrengesetz bestimmt die Verpflichtung der Präfekten, Gerichts-
präsidenten, Oberprokuratoren, Friedensrichter zu Visitationen der Irrenhäuser und
verfügt, daß der Oberprokurator dieselben in öffentlichen Anstalten halbjährlich, in
privaten vierteljährlich vorzunehmen hat. — Außerdem eristiren Generalinspektoren
des Irrenwesens und Kommissionen zur Ueberwachung der Anstalten, welche vom
Präfekt ernannt werden.
In England ist die staatliche Aufsicht des Irrenwesens einer mit ausgedehnten
Vollmachten versehenen Behörde, welche ihr Mandat vom Lordoberkanzler empfängt,
übertragen. Sie wird vorwiegend aus Aergten und Sachwaltern zusammengesetzt.
Diese commissioners in lunacy haben weitgehende Befugnisse, die gesammte Aufssicht
über das Irrenwesen des Landes und die Jurisdiktion über das gesammte Personal,
welches mit der Irrenpflege beschäftigt ist, steht ihnen zu. Sie ertheilen auch die
Konzession für Errichtung von Anstalten, können jederzeit an jedem Ort, wo sich
Irre befinden, Visitationen vornehmen, müssen jedes konzessionirte Haus zwei bis
vier Mal jährlich besuchen, alle 6 Monate dem Lordkanzler Bericht abstatten, zu-
gleich sorgen sie für Veröffentlichung ihrer reports.
Die Deutschen Staaten entbehren bezüglich einer staatlichen Aufsicht über die
Asyle einer Gesetzgebung. Dieses Bedürfniß ist nur durch Verordnungen vorgesehen.
Die öffentlichen Staats= und provinzialständischen Irrenanstalten werden jährlich
von einer durch die zuständige Oberbehörde ernannten Kommission von Regierungs-=
und Medizinalbeamten einer Bisitation unterworfen. Das Gleiche gilt nach Be-
dürfniß für die Privatanstalten, die außerdem alljährlich statistische Mittheilungen
über ihr Asyl der Behörde vorzulegen haben. Diese Bestimmungen sind einer Ver-
besserung fähig und einer Revision bedürftig. Ein Fall einer widerrechtlichen Ein-
sperrung eines Geisteskranken in einer Anstalt ist bis jetzt nicht bekannt geworden.
Die Konzession zur Errichtung von Privatasylen ertheilen überall
die Staatsbehörden, in England die commissioners. Sie kann nur patentirten
Aerzten oder Privaten, die sich zur Anstellung eines solchen verpflichtet haben, ertheilt
werden. In Frankreich und Oesterreich bestehen bezüglich der Oualifikation der
Gründer und der Einrichtung solcher Asyle besondere Bestimmungen. Das Franz.
Gesetz belastet den Unternehmer mit einer bei der Behörde zu hinterlegenden Kaution.
Nach königl. Sächs. Bestimmungen bedarf es bei Errichtung eines Privatasyls durch
einen Arzt nur einer Anzeige an die Kreishauptmannschaft und keiner Konzession. Im
Uebrigen sind die Bestimmungen die gleichen, wie in anderen Staaten.
Die staatliche Fürsorge und Beaufsichtigung der außerhalb der
Anstalten befindlichen Irren ist nur da und dort und nur unvollkommen
durch Verordnungen durchgeführt, so wichtig sie wegen der Gefährlichkeit, Heilbarkeit,
Hülflosigkeit und des Schutzes solcher Kranker wäre. In Frankreich und England
sind es die Generalinspektoren und Kommissionen, welchen auch dieser Theil der
staatlichen Aufsicht über Irre zusteht. In den Deutschen Staaten sind einzelne
Verfügungen getroffen, nach welchen die Irren außerhalb der Anstalten Staats-
aufsicht durch die Administrativbehörden und die Staatsärzte genießen.