Juristische Person. 421
Ansicht wurde zuerst von Beseler im Zusammenhange mit der von ihm auf—
gestellten sog. Genossenschaftstheorie begründet, dann in freilich oft wenig klarer und
durchgeführter Weise von Weiske, Bluntschli, Arnold, Dahn u. A. auf-
genommen. Dabei ging man vor Allem von dem auf gegnerischer Seite verkannten
einheitlichen Wesen des Rechts, wodurch eine Formulirung des Personenbegriffs als
des für öffentliches und privates Recht gemeinsamen Centrums gefordert werde, sowie
von der Erkenntniß aus, daß der Begriff des Staates selbst nur als die höchste und
vollendetste Manifestation des Begriffs der j. P. aufzufassen sei. Aehnliche Gedanken
sprachen Kuntze und Baron aus, wollten sie aber mit Unrecht schon im Röm. Recht
ausgedrückt finden. In einer mehr rechtsphilosophischen Weise haben Lasson und
Zitelmann die Realität der j. P. darzuthun und durchzuführen versucht, von
denen der Letztere zu dem Resultate gelangt, daß die j. P. in allen Fällen ein
wirklicher, aber unleiblicher Wille ist. In neuester Zeit steht Bolze auf einem
ähnlichen Standpunkt, gelangt jedoch, indem er die j. P. mit den „Vielen in ihrer
Vereinigung“ identifizirt, zu einer Bestreitung des Begriffs einer selbständigen
Perfönlichkeit des Ganzen überhaupt.
In der That ist nun die j. P. nichts Anderes als der rechtliche Ausdruck für
die auf allen anderen Lebensgebieten sich gleichfalls als Wirklichkeit offenbarende
Thatsache, daß über der menschlichen Individualexistenz die menschliche Gattungs-
existenz besteht. Indem sich den in den Einzelmenschen verkörperten Individual-
willen gegenüber der die Individualität überragende Gattungswille in zahlreichen
und mannigfaltigen Verbandsorganismen verkörpert, ergeben sich neben den Individuen
willensbegabte Wesenheiten höherer Ordnung. Wird eine solche verkörperte Willens-
einheit vom Recht als ein selbständiges Subjekt anerkannt, so liegt eine j. P. vor.
Eine Fiktion ist hierin so wenig enthalten wie in der Anerkennung des
Einzelmenschen als Rechtssubjekt. Das Recht schafft die Perfönlichkeit nicht, sondern
findet sie vor und bekleidet sie mit bestimmter Rechtsfähigkeit. Daß aber die Per-
sönlichkeit eines Verbandsganzen als selbständige und einheitliche Existenz erkannt
wird, ist lediglich eine That der Abstraktion, wie eine solche umgekehrt auch in der
Erhebung des ausschließlich in seiner Besonderheit gedachten Einzelmenschen zur
individuellen Rechtsperson enthalten ist.
Hiernach liegt der Existenzgrund einer j. P. nicht, wie die Fiktionstheorie
lehrt, in einer, sei es für jeden einzelnen Fall vorgenommenen, sei es für eine Reihe
von Fällen im Voraus vollzogenen künstlichen Schöpfung der Staatsgewalt. Viel-
mehr liegt er entweder in einem historisch -politischen Vorgange oder in einem
konstituirenden Akt, wodurch ein nicht individueller Wille verselbständigt und in
einem lebensfähigen Organismus verkörpert wird. Damit ist jedoch nicht aus-
geschlossen, daß das staatliche Gesetz die materiellen und formellen Voraussetzungen,
von deren Vorhandensein die Anerkennung als j. P. abhängen soll, normirt, wie
dies durch neuere Gesetze theils allgemein, theils für einzelne Klassen von j. P.
geschehen ist. Ebenso kann der Staat entweder allgemein oder für gewisse j. P. von
besonderer publizistischer Bedeutung das Erforderniß staatlicher Genehmigung mit
dem Charakter einer polizeilichen Konzession aufstellen. Und endlich haben diejenigen
j. P., die den Charakter reiner Staatsanstalten oder rein staatlicher Verbände
tragen, ihren Existenzgrund allerdings in einem schöpferischen Staatsakt. — Im
Gegensatz zu dem Gesagten halten übrigens viele Deutsche Partikularrechte (z. B. das
Preußische) im Prinzip noch immer daran fest, daß es in jedem Falle einer beson-
deren „staatlichen Verleihung“ der Rechte einer j. P. bedürfe. Die Verleihung der
Persönlichkeit wird dann der Regel nach als ein Recht der Exekutive angesehen.
Die Rechtsfähigkeit einer j. P. ist je nach ihrem Wesen von sehr ver-
schiedenem Umfange Sie erstreckt sich gleichzeitig in das öffentliche wie in das
private Recht: staatsrechtliche und privatrechtliche Persönlichkeit sind hier wie beim
einzelnen Menschen nur zwei Seiten derselben Person. Im Verhältniß zu der des