Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

428 Kaiserthum. 
desrath“). Ebenso bezüglich des Reichstags (RVerf. Art. 12). Die Gesetze des Reiches 
werden zwar nicht wie im alten Reiche vom Kaiser sanktionirt, der Naiser hat dem- 
nach auch kein Veto gegen Gesetze, die von Bundesrath und Reichstag beschlossen 
sind (ausgenommen in Sachen des Reichsheeres, der Marine, des Zoll= und Stener- 
wesens, wenn es sich um Aufrechthaltung der bestehenden Einrichtungen handelt: 
dies ist jedoch genau genommen kein Recht des Kaisers sondern des Bundesgliedes 
Preußen, Rerf. Art. 5, 35), aber der Kaiser unterzeichnet die Gesetze und ordnet deren 
Publikation an (RNVerf. Art. 17). Der Kaiser vollstreckt die vom Bundesrath beschlossene 
Reichserekution gegen ein Bundesglied (RVerf. Art. 19). Die Vorlagen des Bundes- 
rathes gehen an den Reichstag im Namen des Kaisers (RVerf. Art. 16); der Kaiser 
hat die Ausführung der Reichsgesetze zu überwachen (RVerf. 17, vgl. auch Art. 36); 
bei Stimmengleichheit im Bundesrathe hat die „Präsidialstimme“ ein Votum deci- 
sivum (RVerf. Art. 7 Abs. 3); in allen Ausschüssen des Bundesrathes führt Preußen 
den Vorsitz (ausgenommen der Ausschuß für die auswärtigen Angelegenheiten), die 
Mitglieder der Ausschüsse für das Heer und die Marine werden, soweit sie nicht 
verfassungsmäßig bestimmt sind, durch den Kaiser ernannt (RVerf. Art. 8; vgl. auch 
oben Bundesrath). 
5) Der Kaiser ist Chef des Post= und Telegraphenwesens, ausgenommen für 
Bayern und Württemberg (RVerf. Art. 50). 
6) Der Kaiser ist delegationsweise Träger der Staatsgewalt in Elsaß-Lothrin- 
gen, und hat zu diesem Zwecke theilweise wieder einen Statthalter subdelegirt (Gef. 
vom 9. Juni 1871, § 3, R. G. Bl. 212; Ges. vom 4. Juli 1879, R.G.Bl. 165). 
7) Der Kaiser hat das Begnadigungsrecht in Strafsachen, die in erster Instanz 
zur Kompetenz des Reichsgerichtes gehören (StrafP O. § 484). 
8) Der Kaiser ist der Oberbefehlshaber des Deutschen Reichsheeres und der 
Deutschen Kriegsmarine (RVerf. Art. 53, Abs. 1). Die Land= und Seemacht des Reiches 
bilden eine prinzipielle Einheit unter dem Befehle des Kaisers; insbesondere ist die 
Behauptung unrichtig: das Deutsche Heer sei juristisch kein „Reichsheer“, sondern 
bestehe nur aus „Kontingenten der Einzelstaaten“; nur bezüglich Bayerns besteht 
für das Heer ein vollkommenes Sonderrecht, da das Bayerische Heer im Frieden nur 
dem Oberbefehl des Königs von Bayern untersteht. Die Form des keiferlichen 
Oberbefehls ist die nämliche wie die der kaiserlichen Verordnungen, nur bedarf es 
im ersteren Falle keiner Kontrasignatur. Die Truppen leisten dem Oberbefehlshaber 
den Fahneneid, durch welchen sie sich zu unbedingtem Gehorsam verpflichten (RVerf. 
Art. 64, Abf. 1), soweit die Kontingente nicht in Preußische Verwaltung übernommen 
sind (Württemberg, Sachsen), leisten sie zwar dem Kontingentsherrn den Eid, der 
aber die Gehorsamspflicht gegen den Kaiser einschließt, die Bayerischen Truppen über- 
nehmen im Fahneneid diese Pflicht für den Kriegsfall. Der Kaiser ernennt ferner 
außer den sämmtlichen Offizieren des Preußischen und der in Preußische Verwaltung 
übernommenen Kontingente die Hoöchstkommandirenden aller Kontingente, die 
Festungskommandanten, die Befehlshaber mehrerer Kontingente, die sonst im „Reichs- 
dienst“ (Festungen) stehenden Offiziere (RVerf. Art. 64, Abs. 2 u. 3), doch bestehen auf 
Grund der Militärkonventionen nicht unerhebliche Ausnahmen von diesen Grund- 
sätzen; der König von Bayern insbesondere ernennt alle Offiziere des Bayerischen 
Heerestheiles vollkommen selbständig. Der Kaiser hat ferner die Inspektion des ge- 
sammten Reichsheeres in Hinsicht auf Vollzähligkeit, Kriegstüchtigkeit, Einheit in 
Organisation, Formation, Bewaffnung, Kommando, Ausbildung der Mannschaften, 
Oualifikation der Offiziere (RNVerf. Art. 63, Abs. 3). Der Kaiser bestimmt Präsenz- 
stand, Formation und Dislokation der Armee (ibid. Abs. 4): der Präsenzstand ist 
jedoch durch Gesetz vom 6. Mai 1880 (N.G.Bl. 103) auf 427 274 Mann im 
Frieden bis zum 31. März 1888 festgestellt, demnach der Kaiser gesetzlich gebunden 
und nur für ganz besondere Ausnahmefälle zu einer Erhöhung der Präsenzziffer be- 
rechtigt (RVerf. Art. 63, Abs. 3); bezüglich der Dislokation Deutscher Truppen treffen
	        
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