Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

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die Militärkonventionen eine große Anzahl spezieller Anordnungen. Der Kaiser hat 
das Recht, jederzeit die kriegsbereite Aufstellung (Mobilmachung) eines jeden Theiles 
des Reichsheeres anzuordnen und zu diesem Zweck Reserven und Landwehr einzube— 
rufen (RVerf. Art. 63, Abs. 4); für die Bayerischen Truppen erläßt jedoch der König 
von Bayern die Mobilmachungsordre auf Veranlassung des Kaisers und von diesem 
Moment an stehen die Bayerischen Truppen unter dem Oberbefehl des Kaisers. Der 
Kaiser hat ferner das Recht, den Kriegszustand über jeden Theil des Reichsgebietes 
zu verhängen, „wenn die öffentliche Sicherheit bedroht ist“; bis zum Erlaß eines 
Reichsgesetzes hierüber sind die näheren Vorschriften des Preußischen Gef. vom 
4. Juni 1851 maßgebend (NVerf. Art. 68). Der Kaiser kann ferner im Reichsgebiet 
aller Orten Festungen anlegen, ausgenommen in Bayern; die Bewilligung der hierzu 
erforderlichen Mittel muß jedoch auf dem Wege des Budgetgesetzes erfolgen (RVerf. 
Art. 65). Der Kaiser hat endlich unabhängig von jedem andern Faktor das Recht 
der Kriegserklärung dann, wenn ein Angriff auf das Reichsgebiet oder dessen Küsten 
erjolgte (RVerf. Art. 11, Abs. 2). 
Gsgb. u. Lit.: WVerf. Art. 5; 7 Abs. 3; 8 Abs. 3; 10—19; 35 46, Abs. 1: 50; 53; 56; 
63—68. — Ges. v. 9. Juni 1871 (R. G. Bl. 212). — Die Militärtanventionen in „Die Militär= 
esetze des Drtschen Reiches“ I. 55—181. — Laband, StaatsR., I. §§ 24—26; III. 88 77 
ie 29.— G. Meyer, Lehrb., § 127. Non, Lehrb., I §? 10, 18. — v. Mohl, MtaatsK., 
280 ff. — Riedel, Komm., 28 ff., 102 ff. — Seyde Komm., 84 ff., 112 ff. und in 
Hirth's Annalen 1875, S. 1393 ff. q Rönne, Staats, I. 25—27. — v. Treitschke 
in Preuß. Jahrb. XXXIV. 513 ff. — Thu dichum in v. Holtzendorff's Jahrb. I. 
379 ff.; II. 87 ff.; Derselbe, Verf. R., 368 ff. — Hänel, Studien, II. (1880): Die organi- 
hch che Entwickelung der Deutschen Reichsverfassung. — Held, Das Deutsche Hoiserthum 
Kalende ist die Bezeichnung für eine Kirchenabgabe, welche in Preußen in 
der Provinz Ostpreußen eingeführt und im Zusatz 213 des Ostpreußischen Provin- 
zialrechts, publizirt durch Patent vom 4. August 1801, gesetzlich sanktionirt ist. 
Die Abgabe fließt nicht zu dem Kirchenvermögen, ist auch kein Theil des Vermö- 
gens der Kirchengemeinde, sondern gehört zu den Einkünften des Pfarrers, Präzen- 
tors, Organisten und Schulmeisters. In welcher Höhe die einzelnen Beamten an 
ihr partizipiren, bestimmt die Dotationsurkunde der einzelnen Kirche. Sie ist eine 
Last, die nicht von den Mitgliedern der Kirchengemeinde getragen wird, sondern auf 
dem Grund und Boden des zur Kirche gehörigen Sprengels ruht. Das Gesetz un- 
terscheidet eine große und eine kleine . Im Ermland kommt auch noch eine Geld- 
kalende vor, die früher als eine von der Person zu entrichtende Abgabe auch von 
den im Sprengel der Kirche wohnenden fremden Religionsverwandten gefordert 
werden konnte, somit über die Natur einer Personalkirchensteuer hinausging. Sie ist 
jedoch durch das Gesetz vom 9. Mai 1854 (Gef. Samml. 317) dieses Charakters 
entkleidet worden, kann zur Zeit nur von den Mitgliedern der Kirchengemeinde ver- 
langt werden und ist sonach jetzt eine persönliche Steuer. Auch das West- 
preußische Provinzialrecht, publizirt durch Patent vom 19. April 1844, kennt eine 
Kirchenabgabe unter dem Namen „K.“ Sie ist jedoch der Regel nach nur eine 
persönliche Abgabe der Gemeindemitglieder an den Geistlichen. Wo sie sich nach 
Ortsgewohnheit in eine Reallast verwandelt hat, hängt ihre Entrichtung von dem 
Glaubensbekenntniß des Grundbesitzers nicht ab (8§ 59, 61 l. c.). 
Die große und die kleine K. Ostpreußens sind nach ihrem Wesen eine Art 
Zehnten, also Naturalabgaben, welche vom Grundbesitz entrichtet werden. Sie sind 
dinglicher *5 also Reallasten, bedürfen als gemeine Lasten nach § 12 des Ges. 
vom 5. Mai 1872 der Eintragung in das Grundbuch nicht, und findet auf sie der 
* 3 des Gesetzes vom 14. März 1873, betr. den Austritt aus der Kirche, Anwen- 
dung, nach welchem sie durch die Austrittserklärung des Verpflichteten nicht berührt 
werden. Die Verbindlichkeit zu ihrer Entrichtung ist von dem religiösen Bekenntniß 
des Verpflichteten unabhängig.
	        
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